Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

698 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes. 
brachte, weil die partikularistische Eifersucht sich noch nicht überzeugen ließ. 
Man blieb im wesentlichen bei den Sonder-Postverträgen, welche zu An- 
fang der vierziger Jahre zwischen Preußen, Bayern, Sachsen, Baden, 
Taxis abgeschlossen waren. Ungleich günstiger verlief die zur nämlichen 
Zeit, ebenfalls auf Preußens Aufforderung, berufene Wechselrechts-Kon- 
ferenz. Der Gedanke war schon seit einem Jahrzehnt von Württemberg 
auf den Zollkonferenzen angeregt, damals aber noch als unmöglich abge- 
wiesen worden. Jetzt konnte man die Bedürfnisse des so mächtig angewach- 
senen Handelsverkehrs doch nicht mehr ableugnen, und da diese Rechtsein- 
heit das Heiligtum der Souveränität durchaus nicht antastete, so wagte die 
preußische Regierung, nicht bloß die Zollverbündeten, sondern alle Bundes- 
staaten zu den Verhandlungen einzuladen. Zum Versammlungsort konnte 
nur Leipzig gewählt werden; denn hier in dem großen Meßplatze ließen 
sich die Mißstände der bestehenden Rechtszersplitterung an der Quelle 
kennen lernen; hier war auch neuerdings durch Einert, Treitschke und 
andere tüchtige Juristen eine neue Wechselrechtslehre ausgebildet worden, 
die sich vom römischen Rechte lossagte und den Anforderungen des mo- 
dernen Handels gerecht zu werden suchte. Ein preußischer Entwurf, bei 
dem Savigny selbst mitgewirkt hatte, wurde den Beratungen zu Grunde 
gelegt. Geh. Rat Bischoff, ein Harzer, der den alten Juristenruhm der 
Heimatlande Eicke von Repgows wieder einmal bewährte, verteidigte den 
Entwurf mit siegreichem Scharfsinn und gewandter Liebenswürdigkeit; 
auch der sächsische Bevollmächtigte, der geistreiche alte Präsident Einert 
half treulich mit, obgleich die Konferenz sich die Grundgedanken seiner 
Theorie nicht aneignen wollte. Schon am 9. Dez., nach einer Beratung 
von fünfzig Tagen, wurde die Deutsche Wechselordnung vollendet, ein Werk 
aus einem Gusse, wie es unter parlamentarischer Mitwirkung sicherlich 
nie gelungen wäre, ein Gesetz, das kurz und scharf, so wie es einst Sa- 
vigny in seiner Jugendschrift verlangte, nur die leitenden Rechtsgrund- 
sätze aufstellte, ohne sich in weitläufige Kasuistik zu verlieren. Es war ein 
juristisches Meisterwerk; wohl nur eine seiner Vorschriften, die ganz 
unbeschränkte allgemeine Wechselfähigkeit, ließ sich ernstlich anfechten. 
Eine boshafte Tücke des Schicksals fügte aber, daß dies einzige gute 
gesamtdeutsche Gesetz, das unter der Herrschaft des Bundestags je zu 
stande kam, nicht durch ihn verkündet wurde. Die Unruhen der nächsten 
Monate verhinderten den Abschluß, und erst im Herbst 1848 wurde die 
Wechselordnung durch die neuen Reichsgewalten bekannt gemacht, so daß 
sie den Uneingeweihten als ein Geschenk der Revolution erscheinen mußte. 
Der Bundestag hatte wieder seinen Lohn dahin. 
Das alles war in Friedrich Wilhelms Augen nur Vorarbeit für 
den umfassenden Bundesreformplan, den er zu Ende Novembers 1847 
durch General Radowitz dem Wiener Hofe überreichen ließ. Radowitz 
blieb in diesen deutschen Geschäften sein nächster Ratgeber, da die Minister
	        
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