Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Osterreichs Nöte. 711 
Grundsätze, die Jesuiten in Innsbruck und anderen Städten zuließ; sie 
übergaben die Erziehung des jungen Thronfolgers, des Erzherzogs Franz 
Joseph, den klerikalen Grafen Bombelles und Grünne. 
Die althergebrachte Finanznot verschlimmerte sich beständig, da die 
geheime Polizei und die militärische Bewachung der Lombardei, Venedigs, 
Galiziens ungeheuere Summen verschlang und niemand die Steuerkraft der 
fruchtbaren Kronländer zu wecken verstand. Schon in den ersten fünfund- 
zwanzig Jahren seit dem Wiener Kongresse vermehrte sich die Staats- 
schuld, nach Abzug der Tilgungen, um 441 Mill. Gulden — ohne einen 
Krieg, ohne irgend welche produktive Staatsausgaben. Und so ging es 
weiter. Der getreue Wiener Rothschild, das große, durch die Getreide- 
aufkäufe der Teuerungsjahre unermeßlich bereicherte Bankhaus Sina und 
andere Börsenfürsten brachten den Staat in eine schimpfliche Knechtschaft, 
und die lachlustigen Wiener sprachen gern das neue Pariser Witzwort 
nach: die Börse hält den Staat, so wie der Strick den Gehenkten hält. 
Als die bedrängte Staatskonferenz den Aufkauf der Privateisenbahn-Aktien 
einzustellen beschloß, da erschien Rothschild mit einigen Genossen persönlich 
beim Erzherzog Ludwig und beteuerte, sie könnten die ausbedungenen 
Einzahlungen auf die letzte Anleihe nicht mehr leisten, ja sie müßten 
Hungers halber alle ihre k. k. Staatspapiere an der Börse verkaufen — 
worauf dann sofort der Beschluß gehorsam zurückgenommen wurde.“) 
Währenddem begann selbst der adlige niederösterreichische Landtag, 
in dem die Städte gar kein Stimmrecht besaßen, eigene Gedanken zu 
äußern. Die Zeit war nicht mehr, da jedermann behaglich das große 
Wort Bäuerles wiederholt hatte: 's gibt nur a Kaiserstadt, 's gibt nur 
a Wien. Die liberalen Ideen aus Deutschland drangen unaußhaltsam ein, 
obschon eine wirkliche Kenntnis deutscher Zustände den Österreichern 
noch immer gänzlich fehlte; die Zollbehörden selber hatten ihre stille Freude 
daran, wenn die Grenzboten und der Rotteck-Welcker über die Grenze 
gepascht wurden. In den wissenschaftlich verwahrlosten Gelehrtenschulen 
herrschte ein ganz oppositioneller Geist, die Schüler wurden für die Stu- 
dentenpolitik der Revolutionszeit geradezu erzogen. Diesen volkstümlichen 
Stimmungen und zumal der zungenfertigen großstädtischen Kritik der 
Wiener konnten sich die Stände Niederösterreichs auf die Dauer nicht 
mehr entziehen. Seit 1845 etwa unterstanden sie sich zuweilen zu reden, 
was sice seit zweihundert Jahren nicht mehr gewagt hatten, sie verlangten 
eine landwirtschaftliche Kreditanstalt, dann eine angemessene Vertretung 
der Städte, endlich gar ein Recht des Beirats bei neuen Gesetzen. Das 
alles ward doch bekannt, obgleich die Zeitungen nichts melden durften, 
Metternich und seine Beamten sich in tiefes Schweigen hüllten. 
Canitz selbst, damals noch Gesandter, konnte sich nicht enthalten, dem 
  
*) Graf Arnims Bericht, 25. Sept. 1847.
	        
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