718 V. 10. Vorboten der europäischen Revolution.
weniger wollte er sich an die Spitze eines italienischen Bundes stellen.
Solche nationale Ideen hatten wohl einst, als die römische Kirche noch
die allgemeine Kirche des Abendlandes war, einen Alexander III., einen
Julius II. begeistert; nunmehr aber seit der ganze Norden Europas längst
der Ketzerei verfallen war, mußte der Gedanke der kirchlichen Selbstbe—
hauptung allen nationalen Rücksichten vorgehen. Am allerwenigsten dachte
Pius den Aufklärern und Freigeistern in der Kirche entgegenzukommen.
Er lebte und webte in streng klerikalen Anschauungen, wenngleich er die
Härte der Partei Lambruschinis tadelte, und zum ersten Male ward er
mißtrauisch gegen die römische Volksgunst, als seine Verehrer den Ruf:
nieder mit den Jesuiten! anstimmten. Seitdem, seit dem Herbst 1847
klagte er oft, man mißbrauche seinen Namen, und mahnte eindringlich
zum Gehorsam gegen jede bestehende Obrigkeit.
In seiner Verlegenheit erbat sich Pius den vertraulichen Rat der
großen Mächte, und Metternich säumte nicht, schon im Juli 1846 vor allen
„Konzessionen“ zu warnen; zwischen den Zeilen seiner Denkschriften ließ
sich herauslesen, daß die Hofburg nicht einmal die Ausführung des Bunsen—
schen Memorandunms ernstlich wünschte.“) Dem ungarischen Landtage be—
gegnete der Staatskanzler sehr nachgiebig, in Frankfurt suchte er alles
gemächlich hinzuhalten; denn er rechnete, daß Osterreichs Herrschaft in
Ungarn durch die geographische Lage, in Deutschland durch die Macht alter
Erinnerungen und die heillose Wirrnis des Parteilebens doch einigermaßen
gesichert war. In den Italienern hingegen sah er schlechtweg Feinde, und
wie er 1820 und 1831 auf dieser verwundbarsten Stelle des österreichi—
schen Machtgebietes sofort mit den Waffen eingeschritten war, so hielt er
sich auch jetzt bereit, die drohende neue Erhebung Italiens alsbald nieder—
zuschlagen. Haß gegen OÖsterreich — das witterte er sogleich — war das
gemeinsame Feldgeschrei aller Patrioten der Halbinsel, und da er wußte,
daß sein Kaiserstaat einem nationalen italienischen Fürstenbunde niemals
beitreten konnte, so erklärte er kurzab, die einzig mögliche Form der Einheit
Italiens sei die eine und unteilbare Republik. Immer wieder ließ er die
Höfe warnen: kein italienischer Fürst könne jemals hoffen, die Krone der
Halbinsel zu tragen; die Bewegung müsse notwendig im allgemeinen so-
zialen Umsturz ausmünden, da die begnadigten Flüchtlinge allesamt als
vollendete Revolutionäre heimkehrten; Gioberti, Balbo, Azeglio, Petitti
und die anderen sogenannten Gemäßigten unterschieden sich von Mazzini
nur wie der Giftmischer von den Totschlägern. Von der Klärung der
Geister, die sich in dem edlen Volke nach und nach vollzog, wollte er
nichts bemerken. Wie zum Spott wiederholte er jetzt (Aug. 1847) in
einer allen Großmächten mitgeteilten Depesche das frevelhafte Wort vom
Wiener Kongresse: Italien ist nur ein geographischer Begriff.
*) Graf Arnims Bericht, 14. Juli 1846.