Osterreich und Italien. 719
Als ob er jede friedliche Verständigung abschneiden wollte, ließ er sich
an dem wichtigsten Hofe der Halbinsel, in Turin, erst durch den unerträglich
anmaßenden Fürsten Felix Schwarzenberg vertreten, der sich nachher auch
in Neapel allgemein verhaßt machte, dann gar durch den Grafen Buol, der
an Übermut seinem Vorgänger nichts nachgab und außerdem noch mit
einer ganz ungewöhnlichen Geistlosigkeit behaftet war. Über den Turiner
Hof, der zwischen zwei Großmächten eingepreßt doch wahrlich keinen leichten
Stand hatte, urteilte Metternich ganz ebenso hochmütig und verständ-
nislos wie über das schicksalsverwandte Preußen; und als die Piushymne
zu Ehren des neuen Pontifex gar nicht verstummen wollte, da sagte er
ingrimmig: „ein liberaler Papst ist ein unmögliches Wesen.“ Da er den
Wandel der Zeiten nicht zu erkennen vermochte, so verschanzte er sich, nach
seiner Gewohnheit, hinter großen Grundsätzen. „Nichts in dieser Welt
ist bleibend“, schrieb er dem Gesandten Lützow in Rom; „nur die Grund-
sätze bleiben, sie sind dem Wechsel nicht unterworfen, weil die Wahrheit
immer dieselbe ist und bleiben wird.“ Die eine, unwandelbare Wahrheit
lautete aber dahin, daß Italien zum Vorteil der Hofburg in alle Ewigkeit
zerrissen, unfrei, verachtet bleiben mußte; und für diese Gedanken geist-
und herzloser Völkerbedrückung fand Metternich eine kräftige Stütze in
der deutschen Presse, die sich doch sonst seiner Herrschaft schon zu entziehen
begann. Das Haus Cotta stellte seine Allgemeine Zeitung der italienischen
Politik der Hofburg unbedingt zur Verfügung, vielleicht um sich dadurch
für die Besprechung deutscher Dinge etwas mehr Freiheit zu sichern, und
mit schimpflicher Emsigkeit brachte das Augsburger Blatt fortan ungezählte
k. k. Lügen über das verworfene italienische Sklavenvolk. Diese feilen
Federn beschworen die Erinnerung an die Romfahrten unserer Kaiser
gewaltsam wieder herauf und prahlten, als ob der Schatten Barbarossas
durch die Raizen, Jazygen und Hannaken der österreichischen Regimenter
schritte, als ob der „besiegelte“ Stock der kaiserlichen Profose die Kultur
nach Italien brächte. Viele deutsche Zeitungen, denen die Mittel fehlten,
eigene Verbindungen in Italien zu unterhalten, druckten alle diese Un-
sauberkeiten getreulich nach; selbst in den Kreisen der preußischen Offi-
ziere wiederholte man oft den sinnlosen, auf die deutsche Ritterlichkeit wohl
berechneten Lieblingssatz der k. k. Kameraden: am Po verteidigen wir
den Rhein! Der Name der Tedeschi, der ohnehin schon für jede Prügelei
der kroatischen Soldaten, für jeden Verrat der welschtirolischen Spione
des Hauses Osterreich geduldig herhalten mußte, geriet durch diese unge-
rechte, erst spät gefühnte Gehässigkeit der deutschen Presse bei allen
Italienern, zumal bei den Lombarden gänzlich in Verruf. Die Lüge der
verhüllten Fremdherrschaft vergiftete auch unser Verhältnis zu dem Volke,
das uns unter allen am nächsten stand.
Auf unbedingte Zustimmung konnte Metternich in Deutschland gleich-
wohl nicht zählen. Ein großer Teil der Liberalen schwärmte, wie billig,