Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

724 V. 10. Vorboten der europäischen Revolution. 
Nirgends wußte man das besser als im Hauptquartiere des Feld— 
marschalls Radetzky. Der greise, im menschlichen Verkehre stets liebens— 
würdige Kriegsmann behandelte das schöne Doppelkönigreich, das er für 
seinen Kaiser behüten sollte, schlechthin als Feindesland; weder er noch 
seine Offiziere wollten in den Italienern jemals Mitbürger und Lands— 
leute sehen, und auch General Ficquelmont, der im Sommer 1847 zur 
Unterstützung des schwachen Vizekönigs, des Erzherzogs Rainer nach Mai- 
land gesendet wurde, stimmte mit dem Feldmarschall dahin überein, daß 
hierzulande nur Waffen und wieder Waffen helfen könnten. Trotz der 
Umtriebe der Agenten Mazzinis begannen sich selbst in diesem geknechteten 
Volke gemäßigte Parteien zu bilden, und Giusti sagte, so oft er die Glocken 
des Mailänder Doms zum Begräbnis oder zur Taufe läuten hörte: gein 
Brigant stirbt, ein Liberaler wird geboren.“ Alle diese Selbstbesinnung, 
all das tiefe patriotische Leid der Lombarden war den heimatlosen Lands- 
knechten des k. k. Heeres nur lächerlich, selbst der feingebildete General 
Schönhals beschimpfte die Welschen als Verräter und Feiglinge. „Nicht 
die Stärke der Nationen — so schrieb Radetzky in diesen Tagen dem 
preußischen General Wrangel — sondern die Schwäche der Fürsten er- 
zeugt die Revolution. Der hochgefeierte Pius ist ein schwacher, eitler 
Pfaffe, vielleicht ein guter Mensch, sonst nichts.“ 
Die Masse des Volks fühlte von dem Drucke der Fremdherrschaft 
wenig. Was sollten aber die Signoren empfinden? Ein scheußliches 
Spionenwesen vergiftete jedes Haus, die gefangenen Verschwörer wurden 
grausam mißhandelt, die Presse geknebelt, die Brutalität der stockprügel- 
seligen Beamten erschien eben so unleidlich wie der hochmütige Wach- 
stubenton der Truppen, jedes nationale Gefühl ward grundsätzlich ver- 
höhnt. Versöhnung war unmöglich. „DO ihr geliebten Brüder, auch euer 
Tag wird tagen“ — so sangen die Florentiner und die Romagnolen den 
Brüdern im Norden zu. Nur auf den Kongressen der Landwirte und 
der gelehrten Welt, die hier wie in Deutschland das Erwachen des Ein- 
heitsgedankens ankündigten, durften Lombarden und Venetianer sich un- 
gestört ihres Volkstums erfreuen. Wo aber die Piushymne erklang, da 
schritten die k. k. Truppen ein, schon floß Blut in kleinen Straßenkämpfen, 
schon wurden die Universitäten von Padua und Pavia geschlossen, weil 
man die Studenten nicht mehr bändigen konnte. Die Stunde der Ab- 
rechnung kam heran. Am 12. Jan. 1848 wehte die Trikolore auf den 
Türmen von Palermo, Sizilien sagte sich los vom Hause Bourbon. Noch 
glaubte man in der Hofburg wie in den Tuilerien das Bestehende halten 
zu können. Guizot erklärte, die Bourbonen hätten gar nicht das Recht 
auf die Insel zu verzichten; auf Metternichs Wunsch war er bereit, „den 
ehrgeizigen, ränkesüchtigen, furchtsamen“ König Karl Albert zu überwachen 
und nötigenfalls Rom zu besetzen. Er wollte, daß die vier Großmächte 
des Festlands sich gemeinsam für den Besitzstand in Italien verbürgen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.