Schlacht von Nisib. 67
zehnten Jahrhunderts eine Siegeslaufbahn ohnegleichen, er selbst freilich
schuldlos, mit der Niederlage von Nisib. An den Greueln dieses Rück-
zugs lernte er, was die sittlichen Mächte im Kriege bedeuten; derweil er
das unwegsame Land durchritt, behielt er immer noch Zeit und Gleich-
mut, um seine geliebten Landkarten ebenso gewissenhaft zu ergänzen, wie
er früherhin den einzigen treuen Plan von dem unübersehbaren Gassen-
gewirr Konstantinopels gezeichnet hatte. Nach der Heimkehr sammelte er
dann seine Briefe aus der Türkei und ließ das klassische Werk wie ein
bescheidener Anfänger durch ein Vorwort Karl Ritters in die gelehrte
Welt einführen; seine geistvolle ältere Schrift über Polen hatte ja nur
wenig Leser gefunden.
Die Niederlage war vollständig. Auch die anderen türkischen Trup-
pen in Kleinasien lösten sich auf, obgleich der Sohn Mehemed Alis, dem
eigenen Heere mißtrauend, seinen Sieg nicht zu verfolgen wagte. In-
mitten dieser allgemeinen Verwirrung starb Sultan Machmud plötzlich, noch
bevor die Schreckenskunde aus Nisib ihn erreichte — die letzte große tra-
gische Gestalt der osmanischen Geschichte. Bis über die Kniee war er
im Blute gewatet, um seinem Volke eine höhere Gesittung zu bringen,
und verzweifelnd sank er ins Grab im Bewußtsein eines verfehlten Lebens.
Die Zeitgenossen verglichen ihn gern mit Peter dem Großen, die Er-
mordung der Janitscharen mit der Vernichtung der Strelitzen. Doch der
geniale Barbar des Nordens beherrschte ein christliches und darum bei
aller Roheit bildsames Volk. Die Osmanen blieben eine Reiterhorde des
Ostens, geschaffen für die Zelte der Wüste, der Kultur gänzlich unzugäng-
lich, bei den anderen mohammedanischen Völkern selbst wegen ihrer
Stumpfheit verrufen; sie glichen jenen harmlosen wilden Hunden, welche
Tags über in den Gassen Stambuls schlafen, bei Nacht den Unrat aus
den Häusern fressen, aber sobald man sie ins Haus nimmt, jeder Erziehung
trotzen und aus Sehnsucht nach der Freiheit bald dahinsterben. Nunmehr
bestieg Abdul Medschid den Thron, Machmuds junger schwächlicher Sohn,
der nie zum Manne heranreifte. Zur selben Zeit segelte die türkische
Flotte von den Dardanellen südwärts, nicht ohne die geheime Mitwirkung
des französischen Admirals Lalande, und vereinigte sich vor Alexandria
mit den Schiffen des ägyptischen Rebellen. Also ohne Heer, ohne Flotte,
ohne einen kräftigen Herrscher schien das osmanische Reich, zum dritten
Male binnen elf Jahren, dem sicheren Untergange zu verfallen. Da
die Integrität der Türkei von allen Großmächten — ehrlich oder nicht —
für eine europäische Notwendigkeit erklärt war, so ergriff die Gesandten
der fünf Mächte ein jäher Schrecken. Sie traten zusammen und auf
das Andringen des österreichischen Internuntius Stürmer ermahnten sie
die Pforte durch eine gemeinsame Note vom 27. Juli 1839, nicht eher
mit dem Agypter abzuschließen, als bis Europa gesprochen hätte. Metter-
nich triumphierte, er meinte die Türkei gerettet und das Schicksal des
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