Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

748 XXVI. Zur Geschichte der Burschenschaft. 
wie um die Kommission zu verhöhnen: „ein Unbedingter ist ein Mensch, der unbedingt 
nach Ausbildung strebt und unbedingt nach seiner Überzeugung handelt.“ 
Auch der Philosoph Fries wurde verhört (3. April ff.). Er hatte von der radikalen 
Partei in der Burschenschaft keine Ahnung und wollte nicht einmal glauben, daß ein 
engerer Bund bestanden hätte. Aber seltsam, wie stark die Moral der subjektiven Em- 
pfindung, welche die Köpfe der Jugend verwirrte, auch diesen Lehrer betörte. Er meinte 
ganz unbefangen: Sand war von vielen Kommilitonen überzeugt, daß sie zu allem, was 
sie für ebenso gut und heilsam erkännten, ebenso wie er, stündlich und mit Aufopferung 
ihres Lebens bereit seien. Die Verwirrung der Begriffe war allgemein, und nur wenige 
dachten so nüchtern, wie der alte Frommann, der (28. März) seinem Sohne, dem Burschen- 
schafter schriebö: „Und nun unsere jungen Solone und Aristarche! Wie sind sie so selig 
in einer Reihe von Trugschlüssen und Inkonsequenzen; wie verirren sie sich in halb= und 
mißverstandenen Kollegiensätzen; wie fertig sind sie über alle Verhältnisse des Lebens 
und des Staates. Es betrübt mich aufs innigste, es schmerzt mich tief, denn wahrlich, 
so gehen wir einer besseren Zeit nicht entgegen.“ Der turnfreundliche Mediziner Kieser 
wußte auch nichts auszusagen und erging sich schon in jener sinnigen Theorie, welche 
seitdem zum medizinischen Sport geworden ist; er vermutete, Sand wäre wohl geistes- 
krank, vielleicht gar erblich belastet. (Kieser an den Akad. Senat, 4. April.) Ebenso 
fruchtlos blieb ein mit dem jungen Heinrich Leo angestelltes Verhör (3. April). Auch 
der Vorstand der Burschenschaft wurde, auf Befehl Karl Augusts, vernommen, und da 
die Burschenschaft als solche mit den Unbedingten nichts zu schaffen hatte, viele ihrer 
Mitglieder nicht einmal das Dasein des Geheimbundes kannten, so berichtete die Kom- 
mission schon am 28. April dem Großherzog: „Wir können jetzt mit voller Überzeugung 
aussprechen, daß die Burschenschafts-Verbindung und ihre Grundsätze gewiß auch nicht 
den entferntesten Einfluß auf die Sandsche Tat gehabt haben, daß die Burschenschaft 
noch in ihrer ursprünglichen Reinheit besteht, ja daß dieselbe selbst vielleicht in der letzten 
Zeit, wo sie einen größeren Umfang, der Zahl der Mitglieder nach, bekam, einen mehr 
heiteren, der Jugend und der Beziehung, in welcher sie zum Staate steht, angemesseneren 
Charakter annahm.“ Diese wohlwollenden Worte standen allerdings nicht recht im Ein- 
klang mit dem Urteil des edlen Fürsten selbst, der erst fünf Wochen früher öffentlich aus- 
gesprochen hatte, der Geist der Studierenden nehme in der neuesten Zeit hie und da 
eine verderbliche Richtung. Schließlich wurde dem Dr. Follen mit Sicherheit nur das 
eine nachgewiesen, daß er dem Mörder das Reisegeld gegeben hatte; und damit ließ 
sich juristisch nichts anfangen. Zur weiteren Kennzeichnung der damaligen Zustände 
deutscher Rechtspflege diene dann noch die Tatsache, daß Geh. Rat Conta, nachdem er 
von Frankfurt aus die Mannheimer Kommission besucht hatte, die dorthin gesendeten 
Weimarischen Akten in seinem Wagen wieder heimbrachte, weil man solche Papiere der 
Turn- und Taxisschen Post doch nicht gut anvertrauen konnte. (Contas Bericht an den 
Großherzog, 4. Mai 1819.) Es kann nicht die Aufgabe des Histomkers sein, nachträglich 
die Rolle des Staatsanwalts zu spielen. Das Urteil aber, das ich früherhin über Follens 
Charakter und politische Wirksamkeit ausgesprochen habe, muß ich bis auf das letzte Wort 
noch aufrecht halten, seit ich die Weimarischen Protokolle kenne. — — 
Aus mannigfachen Briefen und Erzählungen ist bekannt, wie früh schon der un- 
glückliche Sand sich mit unbestimmten Träumen von einem heroischen Opfertode ge- 
tragen hat. Als weiterer Beleg folgt hier ein Stammbuchblatt, dessen Original mir ein 
befreundeter Leser mitteilt: 
Unser Tod ist Heldenlauf, kurzer Sieg, früher Tod! Tut nichts, wenn wir nur 
wirklich Helden sind. Wenn wir nur ringen im steten Aufschwung und Gebet zum heil'gen 
Vater und in frischer Begeisterung leben für das, was sein Wille ist. Siegen 
werden wir immer, wenn wir nur selbst tüchtig und frisch sind. Früher Tod bricht nicht 
die Siegesbahn, wenn wir nur auf ihr als Helden sterben. So sei denn unser Wahl- 
spruch: Frommen Glauben an Gott demütig bewahren im Herzen undtätig
	        
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