Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Deutsche Kriegsbegeisterung. 85 
aber von der Pariser Presse künstlich gefördert und geleitet wurde. Sogar 
die allezeit streitlustigen Elsasser erschraken; die Straßburger Zeitungen 
sagten kleinmütig, auf das preußische Rheinland müsse Frankreich wohl 
für immer verzichten, nur die Pfalz sei noch zu gewinnen. 
Sofort stand außer Zweifel, daß die Deutschen diesen Krieg, wenn 
er kam, sogar noch einträchtiger führen würden als den Feldzug von 
Belle Alliance; denn gerade in den Landschaften, welche bisher für fran— 
zösische Ideen eine besondere Vorliebe gezeigt hatten, flammte das kriege— 
rische Feuer am hellsten. Wie oft hatten die preußischen Rheinländer 
beim Schoppen über den Ehrenbreitstein und die anderen „Zwing-Uris“ 
ihres Königs gespottet; jetzt fühlten sie alle dankbar, daß sie hinter diesen 
Bollwerken deutscher Freiheit so wohlgeborgen saßen. Den Süddeutschen 
aber fiel es schwer aufs Herz, wie gröblich ihre Regierungen und Land— 
tage sich durch falsche Sparsamkeit an dem großen Vaterlande versündigt 
hatten; sie sahen sich wehrlos und alle wendeten ihre Blicke hilfesuchend 
auf den neuen König von Preußen. Recht aus dem Herzen der verstän— 
digen Süddeutschen heraus sagte Nebenius in einer anonymen Flugschrift 
über „das südwestliche Deutschland und seine Stimmungen“: unser Süden 
bedürfe vor allem einer Landwehr nach preußischem Muster, damit er 
sich endlich aus eigner Kraft zu verteidigen lerne. Auch die bayrische 
Pfalz, vor acht Jahren noch die Heimstätte des wüsten Radikalismus, 
hielt sich so musterhaft, daß der Regierungspräsident Fürst Wrede den 
Pfälzern mit vollem Rechte sagen konnte, ihr Nationalsinn hätte ihn „mit 
wahrer Bewunderung erfüllt“.) Die tollen Reden des Hambacher Festes 
waren ja doch nur der unbestimmten Sehnsucht nach einem großen Vater- 
lande entsprungen; seitdem hatte die Langeweile des Bourgeois-Regiments 
die französischen Sympathien sehr abgekühlt, die unwiderstehliche Inter- 
essengemeinschaft des Zollvereins das deutsche Nationalgefühl mächtig 
gefördert; und sobald Not an Mann kam, zeigte sich sogleich, daß der 
Pfälzer ebenso gut ein Deutscher war wie der Märker oder der Pommer. 
In schönem Einmut hielten alle Stämme zusammen; höchstens im König- 
reich Sachsen und den anderen Kleinstaaten des Ostens, die sich nicht 
unmittelbar bedroht fühlten, erklang noch zuweilen schüchtern eine Stimme 
philisterhafter Friedensseligkeit.) 
Und wie das Volk so seine Fürsten. Von jener rheinbündischen 
Gesinnung, die noch im Jahre 1815 zu Stuttgart und Karlsruhe so dreist 
herausgetreten war, fand sich nirgends mehr eine Spur. Der gesamte hohe 
Adel der Nation scharte sich ehrenhaft um das Banner des Vaterlandes: 
von dem alten Welfen an, der als grimmiger Reaktionär den Vernichtungs- 
kampf wider die Revolution ersehnte, bis hinüber zu dem Teutschesten der 
  
*) Abschiedsschreiben des Reg.-Präs. Fürst Wrede an die Pfälzer, Speier, 30. Apr. 
1841. 
**) Jordans Bericht, Dresden 24. Okt. 1840.
	        
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