Deutsche Kriegsbegeisterung. 85
aber von der Pariser Presse künstlich gefördert und geleitet wurde. Sogar
die allezeit streitlustigen Elsasser erschraken; die Straßburger Zeitungen
sagten kleinmütig, auf das preußische Rheinland müsse Frankreich wohl
für immer verzichten, nur die Pfalz sei noch zu gewinnen.
Sofort stand außer Zweifel, daß die Deutschen diesen Krieg, wenn
er kam, sogar noch einträchtiger führen würden als den Feldzug von
Belle Alliance; denn gerade in den Landschaften, welche bisher für fran—
zösische Ideen eine besondere Vorliebe gezeigt hatten, flammte das kriege—
rische Feuer am hellsten. Wie oft hatten die preußischen Rheinländer
beim Schoppen über den Ehrenbreitstein und die anderen „Zwing-Uris“
ihres Königs gespottet; jetzt fühlten sie alle dankbar, daß sie hinter diesen
Bollwerken deutscher Freiheit so wohlgeborgen saßen. Den Süddeutschen
aber fiel es schwer aufs Herz, wie gröblich ihre Regierungen und Land—
tage sich durch falsche Sparsamkeit an dem großen Vaterlande versündigt
hatten; sie sahen sich wehrlos und alle wendeten ihre Blicke hilfesuchend
auf den neuen König von Preußen. Recht aus dem Herzen der verstän—
digen Süddeutschen heraus sagte Nebenius in einer anonymen Flugschrift
über „das südwestliche Deutschland und seine Stimmungen“: unser Süden
bedürfe vor allem einer Landwehr nach preußischem Muster, damit er
sich endlich aus eigner Kraft zu verteidigen lerne. Auch die bayrische
Pfalz, vor acht Jahren noch die Heimstätte des wüsten Radikalismus,
hielt sich so musterhaft, daß der Regierungspräsident Fürst Wrede den
Pfälzern mit vollem Rechte sagen konnte, ihr Nationalsinn hätte ihn „mit
wahrer Bewunderung erfüllt“.) Die tollen Reden des Hambacher Festes
waren ja doch nur der unbestimmten Sehnsucht nach einem großen Vater-
lande entsprungen; seitdem hatte die Langeweile des Bourgeois-Regiments
die französischen Sympathien sehr abgekühlt, die unwiderstehliche Inter-
essengemeinschaft des Zollvereins das deutsche Nationalgefühl mächtig
gefördert; und sobald Not an Mann kam, zeigte sich sogleich, daß der
Pfälzer ebenso gut ein Deutscher war wie der Märker oder der Pommer.
In schönem Einmut hielten alle Stämme zusammen; höchstens im König-
reich Sachsen und den anderen Kleinstaaten des Ostens, die sich nicht
unmittelbar bedroht fühlten, erklang noch zuweilen schüchtern eine Stimme
philisterhafter Friedensseligkeit.)
Und wie das Volk so seine Fürsten. Von jener rheinbündischen
Gesinnung, die noch im Jahre 1815 zu Stuttgart und Karlsruhe so dreist
herausgetreten war, fand sich nirgends mehr eine Spur. Der gesamte hohe
Adel der Nation scharte sich ehrenhaft um das Banner des Vaterlandes:
von dem alten Welfen an, der als grimmiger Reaktionär den Vernichtungs-
kampf wider die Revolution ersehnte, bis hinüber zu dem Teutschesten der
*) Abschiedsschreiben des Reg.-Präs. Fürst Wrede an die Pfälzer, Speier, 30. Apr.
1841.
**) Jordans Bericht, Dresden 24. Okt. 1840.