Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

90 V. 2 Die Kriegsgefahr. 
Rachsucht des Zaren befriedigt, Englands mediterranische Herrschaft be- 
festigt und für sich selbst nichts davon getragen hätte als einige wertlose 
Grenzplätze in Elsaß-Lothringen. 
König Friedrich Wilhelm ließ solche Erwägungen gar nicht an sich 
herankommen; für ihn hatte der Gedanke eines dritten Pariser Einzugs 
keinen Reiz. Er wollte den Frieden, nichts als den Frieden. Erst als 
die französischen Drohungen unsere Westgrenze gefährdeten, rüstete er sich 
zur Abwehr, und für diesen bescheidenen Zweck der Verteidigung Deutsch- 
lands arbeitete die preußische Politik, die sich in den internationalen Lon- 
doner Verhandlungen so schwächlich, so widerspruchsvoll gezeigt hatte, mit 
ehrenwerter Umsicht und Beharrlichkeit. Der König dachte die Gelegen- 
heit zu benutzen und mit dem Bundesheerwesen zugleich die gesamte 
deutsche Bundespolitik, die seinem Herzen so teuer blieb, neu zu beleben. 
„Zu Frankfurt“, so gestand er einem Vertrauten, „brau' ich mein Eigenstes; 
zu keiner Gesandtschaft steh' ich in so unmittelbarem Verhältnis als zu 
dieser.“*) Er wußte, wie eifrig sein Vater sich während der letzten Jahre 
bemüht hatte, in Frankfurt durch Radowitz eine Verbesserung der elenden 
Bundeskriegsverfassung zu bewirken, und wie kläglich alle diese Bemühun- 
gen an der Gleichgültigkeit OÖsterreichs gescheitert waren. Gerade in 
den Tagen des Thronwechsels berichtete Radowitz hoffnungslos über die 
Haltung der Hofburg: „Bei völliger Kenntnis und Einsicht in die vor- 
handenen Gebrechen ist dennoch das Interesse an deren Heilung nicht 
groß genug oder die Berücksichtigung anderweiter Motive zu vorwiegend.“““) 
Durch den Zauber seiner Beredsamkeit hoffte der neue König diesen Wider- 
stand zu überwinden; schon auf der Pillnitzer Zusammenkunft sagte er 
zu Metternich tiefbewegt, fortan müsse eine neue Zeit auch für die Bundes- 
politik kommen. Der Österreicher wich aber aus und vermied auch ferner- 
hin ängstlich jedes Gespräch über den Deutschen Bund. 
Metternich verbrachte den August und September in Königswart, 
wohin er die Gesandten aller Großmächte nebst dem päpstlichen Nuntius 
eingeladen hatte. Mit Spannung beobachtete die diplomatische Welt diesen 
geheimnisvollen Kongreß. Fleißiger denn je arbeitete Metternichs Feder; 
ungezählte Depeschen flogen aus seinem böhmischen Schlosse in alle Welt 
und sie klangen alle in hohem Tone. „Die Frage ist ganz einfach die 
des die Pforte zu seinem Vorteil fressen wollenden Paschas von Agypten,“ 
so schrieb er nach Frankfurt. Die orientalische Verwicklung war und 
blieb ihm nur ein Kampf zwischen der Revolution und dem legitimen 
Sultan; den Bürgerkönig suchte er zu erschrecken durch den Bericht eines 
k. k. Agenten, der seit Jahren allen Pariser revolutionären Klubs ange- 
hörte und bestimmt versicherte, die Radikalen planten einen neuen Streich 
*) König Friedrich Wilhelm an Rochow, 9. April 1842. 
**) Radowitz, Bericht an Werther, 2. Juni. Eichhorn an den Kriegsminister v. Rauch, 
9. Juli 1840. 
 
	        
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