Full text: Die Geschichte Württembergs.

170 II. Württemberg als Herzogthum. 
wissenschaft, Medicin, Natur-, Kriegs-, Kameral-, Forstwissenschaft, Philosophie, 
Mathematik, den alten und neuen Sprachen, in der Musik, Malerei, Bild- 
hauerei, Kupferstecherkunft und in Leibesübungen. Nur Theologie wurde 
nicht gelehrt. Die Disciplin war eine militärisch stramme. Herzog Karl 
wurde in ganz Europa als Beförderer der Wissenschaften gepriesen; er nahm 
fremde Gelehrte auf, korrespondirte mit ihnen und ließ sich ihre Werke zusenden. 
Seine Schule besuchte er, auch von Hohenheim aus, fast täglich; er kannte alle 
Zöglinge und erkundigte sich in der eingehendsten Weise nach ihren Leistungen. 
Die Dahl der „Karlsschüler“ betrug außer 462 Zöglingen aus der Stadt 1495, 
worunter fast die Hälfte Württemberger. Die übrigen waren aus aller Herren 
Länder, sogar aus Ost= und Westindien. In der Karlsschule wuchsen treffliche 
Männer auf, namentlich: Schiller, die Maler Hetsch, Wächter, Heideloff, Stein- 
kopf, der Bildhauer Dannecker, der Musiker Zumsteeg, der Kupferstecher Müller, 
der Baumeister Thuret. Die moderne Aufklärung, welcher der Herzog huldigte, 
fand auch in seiner Anstalt Eingang. G. Schwab sagt deßhalb mit allem Recht: 
„Aus der Karlsakademie giengen auch verdorbene Halbgenies, frivole Freigeister 
und kleinliche Tyrannen hervor. Gründliche Witssenschaftlichkeit und seichte 
Aufklärung, edle Thätigkeit und unruhige Gewaltthätigkeit, selbstbewußte Kraft 
und eitle Selbstüberschätzung verbreiteten sich in einem Doppelstrome befruchtend 
und verderbend über das Land, in dessen Schoße diese Anstalt entstanden war, 
und wohl auch über dasselbe hinaus“. — Im Jahr 1794 wurde die Akademie 
von Herzog Ludwig Eugen wieder aufgehoben, was die Landschaft nicht ungerne 
sah, da sie viel kostete und die Frequenz der Tübinger Universität beeinträchtigte. 
Auch das gewerbliche und industrielle Leben hob sich. 
Die Neckarschiffahrt zwischen Cannstatt und Heilbronn wurde verbessert; mehrere 
Kunststraßen wurden gebaut; in Ludwigsburg, Cannstatt und Heidenheim wur- 
den Fabriken angelegt. Dem Weinbau wurde durch veredelte Rebsorten, der 
Vieh-, namentlich der Schafzucht durch die Einfuhr fremden Viehs aufgeholfen. 
— Die Badeanstalten in Teinach und Wildbad wurden verbessert. Die 
Brandversicherungsanstalt gelangte zum gesetzlichen Bestande. 
So war überall auf allen Gebieten ein erfreulicher Fortschritt wahrzu- 
nehmen. Der Wohlstand stieg; der Bürger freute sich seiner Rechte und des 
Schutzes seitens der Regierung. Der Herzog hatte sich in den letzten 15 Jahren 
seiner Regierung eifrig bestrebt, das, was er vorher versäumt oder verderbt 
hatte, wieder gut zu machen. Darum war die Trauer des Volks über seinen 
Tod auch eine aufrichtige und allgemeine. 
Es ist ein merkwürdiger Charakter, der in dem letzten halben Jahrhundert 
der Geschichte Württembergs vor unsere Augen getreten ist. Karl war mit einem 
ausgezeichneten Geiste begabt; er besaß eine ruhlge und schnelle Urtheilskraft und 
ein ungewöhnlich starkes Gedächtniß; er wußte die Namen, das Vaterland und 
die Eltern aller Schüler seiner Akademie. Mit diesen Gaben verband er noch 
eine lebhafte Phantaste, klaren Verstand und jene starke Willenskraft, die so lange 
dem Lande zum Verderben geworden war. Durch falsche Vorstellungen von der 
Würde eines Herrschers und durch seine kühne Energie war er zum Despoten 
geworden, der kelnen andern Willen gelten ließ, sondern nur blinden Gehorsam 
und Unterordnung unter seine tyrannische Herrschergewalt verlangte. Dabel die 
Unbeständigkeit in der Ausführung seiner Plane! Was er heute wollte, sollte
	        
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