232 IV. Württemberg als Königreich.
jedoch gemäßigt und wollte den Krieg vermeiden. Die preußische Besatzung zog
aus der. Festung Luremburg ab, die Festungswerke wurden geschleift und das
Großherzogthum wurde als neutrales Gebiet erklärt.
Damit war die luremburgische Frage gelöst, aber die Ruhe nicht herge-
stellt. Die Chauvinisten Frankreichs stießen fort und fort in die Kriegstrompete;
das „Prestige“, das bisher in der öffentlichen Meinung auf der französischen
Nation gelegen und ihr in den Augen der Völker die Suprematie verliehen, durfte
nicht schwinden. „L'empire est la paix!“ hatte Napoleon III. erklärt, und
doch wurden unter dem kampflustigen Marschall Niel die umfassendsten Kriegs-
rüstungen vorgenommen. Was von Preußen und Norddeutschland ausgieng,
wurde von den Franzosen mit der größten Eifersucht betrachtet; sogar den Plan
der Gotthardsbahn, welche von Deutschland, der Schweiz und Italien ausge-
führt wird, suchte das mißtrauische Frankreich zu durchkreuzen. Ueberall suchte
man mit dem verhaßten Preußen anzubinden, um endlich „Rache für Sa-
dowa“ zu nehmen. — In Frankreich selbst gärte und brodelte es wie in einem
Herenkessel; die liberalen Schreier sollten durch die Einsetzung des Ministeriums
Ollivier zufriedengestellt werden; es gelang nicht. Napoleon verglich sich dabei
mit einem müden Wanderer, der einen Theil seines Reisegepäckes ablege. Dazu
kam die Erschießung Noir's durch Peter Bonaparte, welche einen ungeheuren
Sturm gegen den Kaiser hervorrief. Dieser sah wohl ein, daß sein Regiment
für die Länge nicht mehr haltbar set. Darum veranstaltete er im Mal 1870
ein Plebiscit, in welchem gegen 7 ½ Millionen für und 11½/2 Millionen gegen
ihn stimmten. Daß in der Armee und Marine 51,000 Nein abgegeben worden
waren, dämpfte zwar die Freude, konnte aber die Bedeutung des Plebiscits für
die Befestigung der bestehenden Ordnung nicht herabsetzen. „Aber es war eine
Sinnentäuschung, die bald schrecklich zerrinnen sollte, es war die abspannende
Windstille vor dem nahenden Sturm."“
Mit dem „großen diplomatischen Sieg“, den Napoleon mit der Lurem-
burger Frage erfochten haben wollte, konnte er aber nicht zufrieden sein. Ein
Nachbarvolk nur auf gleicher Stufe der Macht mit Frankreich sehen zu müssen,
war Napoleon und den Franzosen unerträglich. Rußland war im Krimklrieg,
Oesterreich im italischen Krieg gezüchtigt; nun sollte die Reihe an das dritte Glied
der „triple alliance“ vom Jahre 1815 kommen, welche das „Désastre“ von
Waterloo herbeigeführt und die zwelmalige Invasion Frankreichs veranstaltet
hatte. Der Kaiser hatte das Wort seines Oheims nicht vergessen: „II faut
avil ir la Prusse, et puis alors la détruire.“ Preußen mußte ge-
demüthigt werden! Das stand bei dem Kaiser und den Chauvinisten fest.
Dem schlauen Kaiser, der sonst alle Verhältnisse bis ins Einzelnste kannte und
erwog, konnte nicht verborgen sein, mit welch' gewaltiger Kriegsmacht Preußen
ihm gegenüberstehe, zumal der Militär-Attaché Frankreichs am preußtschen Hofe,
Oberst Stoffel, seinem Kalser die Macht Norddeutschlands in einsichtigen und
erschöpfenden Berichten schilderte und ihn vor einem Krieg wornte. Aber der
Druck der kriegslustigen Partei in Frankreich war zu groß. Es handelte sich
bei Napoleon, der in der merikanischen Expeditlon eine Niederlage erlitten hatte,
im deutschen Kriege auf die Seite gesetzt worden war und in der luremburgischen
Angelegenheit nur einen scheinbaren, ganz zwelfelhaften Gewinn erlangt hatte,
nicht allein um ein Erringen neuer Lorbeeren, sondern hauptsächlich um die