Zwangspaten seiner ersten Rede gewidmet hat. Auf der wei-
marischen schwarz-gelb-grünen Schleife#stehen die Worte:
„Genio loci. Der Reichspräsident.“ Herr Ebert weiß schon,
was sich schickt. Dem „Geist von Weimar“, den er zuerst
deutsch zitierte, kommt er nun auch noch lateinisch, nachdem er
sich das hat erklären lassen. Aber der „Genius loci“ wendet
sein Haupt mit Grausen. Zn die Nationalversammlung kommt
er jedenfalls nicht, denn dort berrscht ein Ton, wie er selbst
in den Tagen des Tenienstreites in Weimar nicht ütlich war.
Nachdem der Herr Reichsfinanz den Notetat eingebracht hat,
erklärt heute der Mehrheitssozialist Schulz den Ton, in dem
gestern Scheidemann gesprochen habe, als durchaus würdig;
dagegen sei es schaudervoll, böchst schaudervoll, wie — in
der preußischen Landesversammlung der Abgeordnete v.
Kardorff gesprochen habe. Es sei eine „niedrige Verdächti-
gung“, daß sozialdemokratische Agitatoren sich an öffentlichen
Geldern vergriffen hätten. Kardorff wage es, Ehrenmännern
ehrenrührige Vorwürfe zu machen! Schon der Zentrums-
abgeordnete Mapyer ist über den Ton, den Scheidemann gestern
angeschlagen hat, offenbar anderer Meinung, zum min-
desten rechtfertigten die Vorfälle in Berlin wahrhaftig nicht
die große Erregung, sagt er, und nicht nur das Zentrum,
sondern auch einzelne Demokraten rufen dazu ihr „Sehr
richtig“, erheben auch keinen Widerspruch, als Mapyer erklärt,
die Sache mit dem Staatsgerichtshof werde man sich noch
sehr überlegen. Es scheint, daß die Sozialdemokraten mit
ihrer Auffassung über den guten Ton in allen Lebenslagen
ziemlich alleinstehen. Sie allein sind es auch, die aus ihrem
Knigge den formvollendeten Ausdruck „Frechheit“ dem Grafen
Posadowsky entgegenrufen, als er ernst und unter dem zu-
stimmenden Schweigen der übrigen Parteien erklärt: Deutsch-
lands Zukunft verlange an der Spitze der Regierung einen
Mann, der den Empfindungen der ganzen Nation gerecht zu
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