Selbstverständlich bedeutet dies das Aufpflanzen eines
Geßlerhutes. Das deutsche Bürgertum soll seine Reverenz
davor machen, soll barhäuptig und mit gebogenem Rücken
die neue Herrschaft anerkennen. Früher war das Blau-
machen am 1. Mai eine Demonstration für den Achtstundentag.
Der Achtstundentag ist nun eingeführt. Damit ist, so könnte
man meinen, der Zweck der Demonstration erreicht, die Mai-
feier fortan überflüssig geworden. Aber nein, es wird ein
Zwangefeiertag für alle Bürger eingeführt, was nicht einmal
der Sedantag der „Mordspatrioten“ früher war und der
Geburtstag des Kaisers nur in bescheidenem Umfange. Oieses
Siegeszeichen der Roten aber bilft eine bürgerliche Partei
aufrichten: die Deutsche Demokratische Partei.
Aur will sie das Dekorum wahren. Sie hat mit der sozial-
demokratischen Regierung, die grausam lächelnd zustimmt,
vereinbart, daß die Sache einen harmlosen Titel haben müsse.
Man will ein Weltfriedenefest, ein Völkerverbrüderungefest,
ein internationales Arbeiterschutzfest daraus machen. In
diesem ersten Jahr könne man eine Kundgebung für Frei-
lassung der Kriegsgefangenen und dergleichen damit ver-
binden. Mein Gott, nur nicht schwerfällig sein. Es beißt
nicht betrügen, sondern corriger la fortune, sagt schon Riccaut
de la Marlinisre; und wenn das Fenster geöffnet ist, darf
man einen Meineid schwören; und wenn man in das Joch
der Sozialdemokratie kriecht, so demonstriert man für welt-
bürgerliche Odeale. In Wahrheit hat sich die Demokratie aus
Arbeiterschutz und Arbeitsruhe nie einen Pfifferling gemacht.
Als vor etwa dreißig Jahren die damals sonntäglich noch
viermalige Postbestellung in den Großstädten eingeschränkt
werden und die Zigarrenläden Sonntags „nur noch“ bis
11 Uhr abends aufbleiben sollten, schrie die Demokratie Zeter
und Mordio über diese Vergewaltigung des Geschäfts. So
eiferte sie gegen jede Ladenschlußstunde, stimmte gegen jede
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