indem sie — wir hier in Weimar können das häufig genug
feststellen — den Post- und Telegraphen- und Fernsprech-
betrieb mit ihren Privatangelegenheiten auf Staatskosten so
belasten, daß der gewöhnliche Sterbliche nur noch mit drei-
facher Taxe „dringend“ beran kann. Wir meinen nicht die
fünfzigpfündige Hamsterkiste, die ein Minister als angebliche
„Akten“ portofrei nach Hause geschickt hat, sondern vor allem
die zabllosen „Dienstgespräche“ mit Frau und Kind und
Kegel, die von hier aus geführt werden. An allen diesen
Dingen sind nun wirklich weder Ludendorff noch die All-
deutschen noch die Schwerindustrie schuld; und wenn im
Deutschen Reiche, dem früheren Musterlande der Zucht und
Ordnung, allmählich mittelamerikanische Zustände einreißen,
so wird man doch wohl sagen dürfen, das wäre vor dem
9. November nicht denkbar gewesen.
Die große Hoffnung, die demgegenüber immer wieder vor
uns aufgepflanzt wird, beißt: die sozialisierte Wirtschaft im
Zukunftsstaate. Mehr als eine Hoffnung ist das nicht. Der
Schatzminister Maper entwirft beute ein lockendes Bild von
den Ergebnissen, die die verstaatlichte Elektrizitätswirtschaft
haben wird. Maper spricht wie einst Stephan. Ein kluger,
organisatorisch veranlagter Kopf. Wir aber meinen, wenn
irgendeine Sozialisierung wirklich einmal Erfolg haben sollte,
dann wird die Entente die Ernte einheimsen. Oie deutsche
Republik hat ihr in dem Friedensvertrag ja jede Vollmacht
dazu gegeben.
Reichsdraht
Weimar, 9. August
Der Freiballonsport ist schon heute durch die vielen Hoch-
spannungsleitungen bedroht. Die Uberlandzentralen mehren
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