Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

heute eine Parteiregierung, die Arm in Arm mit Matthias 
Erzberger das Zahrhundert und den gesunden Mencschen- 
verstand in die Schranken fordert. Gestern hat sie den Frei- 
spruch ihres Barrabas erzielt. Heute läßt sie ihn schon trium- 
phieren. Die Nationalversammlung in Weimar ist für solche 
internen Aufführungen trefflich geeignet. Schon im Ber- 
liner Reichstag ging es manchmal nicht gerade vornehm zu, 
aber der mächtige löwengelbe Raum dort — „doch eine 
Würde, eine Höhe entfernte die Bertraulichkeit" — ver- 
schluckte alle Zwischenrufe auch ermunternder Art. In Wei- 
mar versteht man jedes Wort, wird der Beifall der Partei- 
claque zu einem Schlachtendonner, der alles vor sich nieder- 
wirft. So ist gestern Erzberger gerettet, Boegler gerichtet 
worden. Laut Stenogramm hat Erzberger gesagt: 
„Nun hat uns Herr Dr. Voegler eine ganze Reihe von 
Oepeschen des Bereins der Oeutschen Stahlindustriellen 
verlesen, nur von einer hat er uns nichts mitgeteilt, sie 
lautet: „Wenn Hugo Stinnes nicht in Luxemburg als 
Sachverständiger zugezogen wird, entsendet der Berein 
überhaupt keinen Sachverständigen.“ (Hört, hört! Be- 
wegung und Pfuirufe.) Unter solchen Terroriemus suchen 
Sie die Regierung zu setzen, aber ich kann Ihnen sagen, 
Ihre Herrschaft ist vorbei!“ (Stürmischer Beifall.) 
Von diesem Telegramm, um dessen Abgangsdatum Erz- 
berger vergeblich ersucht wurde, hatte er „leider“ keine Ab- 
schrift bei sich. Heute erhält er nun als erster das Wort. Er 
habe nur einen kleinen Zrrtum begangen, sagt er; es handele 
sich nicht um ein Telegramm, sondern um einen Brief. 
Zm übrigen sei alles, was er gesagt, „unantastbar“, denn in 
dem Briefe, den er vom Reichswirtschaftsamt bekommen 
habe, stehe wörtlich: „Da Herr Dr. Boegler, falls nicht Stinnes 
zugezogen wird, seine eigene Wahl als Sachverständiger abge- 
lehnt haben soll. “ Also dieser amtliche Brief bestätige alles. 
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