Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

428 Die Krisis. 1850 
entgegen zu kommen, hatte Preußen am 8. October im Fürsten- 
Collegium die vielbesprochene Erklärung abgegeben, daß bei 
dem so stark verminderten Umfang der Union die auf ganz 
Deutschland berechnete Verfassung vom 26. Mai offenbar 
nicht mehr ausführbar, ihre erforderliche Anderung aber erst 
nach erlangtem Einverständniß über die Verfassung des wei- 
tern Bundes thunlich sei. Sodann beabsichtigte man, die 
Behandlung der holsteiner Frage durch eine Specialcom= 
mission aller deutschen Regierungen auch in Kopenhagen zu 
proponiren und zugleich die Statthalterschaft in Kiel zur 
Waffenruhe aufzufordern. Endlich hatte der Kurfürst von 
Hessen, dem es bei dem drohenden Zusammenstoß der Groß- 
mächte um das eigene Dasein bange zu werden begann, in 
einem Briefe an den König den Wunsch durchblicken lassen, 
daß die hessischen Wirren durch Gesammtbeschlüsse aller deut- 
schen Staaten geordnet werden möchten — was, wie wir 
wissen, genau dem preußischen Standpunkte entspracht). Mit 
diesen Materialien und außerdem mit einem positiven Vor- 
schlag über die künftige Gestaltung des weitern Bundes ver- 
sehen, reiste Graf Brandenburg am 15. October nach Warschau 
ab, nicht ohne Hoffnung auf günstigen Erfolg, obwohl täglich 
wachsende Streitkräfte sich in Böhmen sammelten, und mili- 
tärische Abtheilungen von beiden Parteien sich gegen die 
hessischen Grenzen langsam heranschoben. 
In ganz Europa war die Spannung gewaltig. Die 
öffentliche Meinung erfüllte sich mit der Vorstellung, daß 
Preußen entschlossen sei, um jeden Preis die Beherrschung 
der deutschen Angelegenheiten dadurch zu behaupten, daß es 
1) Hassenpflug interpretirte nachher: Gesammtbeschlüsse aller deutschen 
Regierungen, nämlich im Bundestag.
	        
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