Full text: Auswahl für das Feld.

verstehen, die zugleich rauflustige Soldaten waren und streng rech— 
nende Verwalter, zugleich entsagende Mönche und waghalsige 
Kaufleute und, mehr als all dies, kühne, weitschauende Staats— 
männer? Den Staatsmann vornehmlich mußte sie reizen, diese 
Geschichte einer schroffen Aristokratie, deren beste Kraft in ihrem 
Bunde mit dem Bürgertume gelegen war — einer geistlichen Ge— 
nossenschaft, welche der Kirche so herrisch wie nur je ein weltlicher 
Despot den Fuß auf den Nacken setzte — eines Staates, der uns 
bald traumhaft fremd erscheint, wie eine versunkene Welt, ein 
Anachronismus selbst in seiner Zeit, bald die rationalistische 
Nüchternheit moderner Staatskunst vorbildet — einer Kolonie, die 
keiner Theorie des Kolonialwesens sich einfügen will und dennoch 
die Lebensgesetze der Pflanzungsstaaten typisch veranschaulicht in 
ihrem atemlosen Steigen, ihrem jähen Falle. Eine Geschichte tut 
sich hier auf, welche uns bald heimisch anmutet durch die trauliche 
Enge provinzialen Sonderlebens, bald die Seele erhebt durch den 
weiten Ausblick auf welthistorische Verwicklungen: eine Geschichte 
so wirrenreich und verschlungen wie nur die Schicksale unseres 
alten Reichswappens, jenes einköpfigen Adlers, der von dem 
Staufenkaiser dem Hochmeister in sein Schild geschenkt ward und 
in der fernen Pflanzung sich erhielt, derweil er dem Reiche selber 
verloren ging, bis ihn endlich der deutsche Großstaat der neuen 
Zeit zu seinem verheißenden Zeichen wählte. Doch was uns Be— 
wohner der Kleinstaaten zu dieser Geschichte mehr noch hinzieht 
als ihr romantischer Reiz, das ist die tiefsinnige Lehre von dem 
Segen des Staates, der bürgerlichen Unterordnung, welche sie 
lauter vielleicht predigt als irgendein anderer Teil unserer Ver— 
gangenheit. 
Das Bild des alten Ordensstaates war in der Epoche des evan— 
gelischen Glaubenseifers in Altpreußen selber fast vergessen und 
wurde dann im Wetteifer verzerrt und entstellt bald von dem 
nationalen Hasse polnischer Geistlichen, bald von dem Bürgerstolze 
gelehrter Danziger Stadtschreiber, bald endlich von der selbstge— 
fälligen Aufklärung der Kotzebue und Genossen. Auch läppischer 
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