I. Geschichtliches.
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Die Interregna im ehemaligen deutschen Reiche. Entwicklung.
I.!) Die Verfassungsform des deutschen Reichs zu der Zeit, da
es als solches zum ersten Male zu leben beginnt, nämlich nach dem
Vertrage zn Verdun?), ist die einer Erbmonarchie: der Erbberechtigte
tritt zeitlich und rechtlich unmittelbar an die Stelle des weggefallenen
Herrschers. Es ist uns deshalb bis zum Aussterben des karolingischen
Königsstammes im Jahre 911 von keinem Interregnum überliefert.
Zweifelhaft kann das höchstens für das Jahr 887 sein, in dem Karl
der Dicke Krone und Leben verlor; aber es ist weder sicher bekannt,
ob der König abgesetzt wurde oder dem Drucke der Verhältnisse
weichend auf die Krone verzichtete, oder ob nur eine intensive Re-
volution gegen seine Herrschaft stritt, deren Ende nicht durch die
Empörung, sondern durch des Königs Tod herbeigeführt wurde, noch
auch sind uns genaue Nachrichten über die Art des Regierungsan-
trittes König Arnulphs überliefert.
Tritt uns der Charakter der Erblichkeit der Krone noch in aller
Strenge bei der Theilung entgegen, welche nach der grossen Thei-
lung des Reichs unter die Söhne des frommen Ludwig abermals von
1) Zum Folgenden vgl. insbesondere Waıtz, Deutsche Verfassungsgeschichte,
VI. S. 120 ff., SchRöDER, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 110 f., 454f. und die „immer
noch brauchbare“ Abhandlung Srrusens in seinen Nebenstunden, IV. (1753).
S. 115—140, ferner PuıLıprs, Ueber Erb- und Wahlrecht, MAURENBRECHER, Ge-
schichte der deutschen Königswahlen.
2) Von da an erst und nicht von einem späteren Zeitpunkte an, als damals,
kann von einem deutschen Staate gesprochen werden. Uebereinstimmend Waıtz
2.2.0. IV. S.594., desselben Abhandlung, „Ueber die Gründung des deutschen
Reiches durch den Vertrag zu Verdun“; GIEsSEBRECHT, Deutsche Kaiserzeit, 1.
S. 137f.; ScHuLzE, Deutsches Staatsrecht, I. S. 49, Scuröner, Deutsche Rechts-
geschichte S. 101. 372 u. A. Abweichende Ansichten bei Waıtz, a.2.0.0.