Full text: Das Interregnum.

Ludwigs des Deutschen Söhnen im Jahre 876 vorgenommen wurde!), 
so finden sich doch andererseits schon in dieser Zeit Ansätze zum 
Wahlkönigthum, wie denn dieses überhaupt nicht plötzlich die bisherige 
Thronfolgeordnung verdrängte, sondern, einen urgermanischen 2) Ge- 
danken verkörpernd, allmählich sich Geltung verschaffte. Hatte die 
Merowingerzeit das Erbprinzip in strengstem Masse zur Durchführung 
gebracht, so hatte sich doch schon seit der Wahl Pipins die germa- 
nische Auffassung wieder Bahn gebrochen, dass auch der geborene 
König einer Wahl oder wenigstens einer Anerkennung durch das 
Volk oder die Grossen des Reiches bedürfe. Dies ist die Auffassung 
während der ganzen Karolingerzeit, wie sich durch zahllose Citate 
genugsam belegen liesse. Kann man hierauf einen nicht allzu ge- 
wagten Schluss ziehen aus der schwankenden Terminologie für die 
Thronbesteigung bei den älteren Annalisten?), so tritt das auch mit 
Klarheit da zu Tage, wo von einer Wahl eines neuen Herrscher- 
geschlechtes gesprochen wird. Die Berichte über Konrads Wahl im 
Jahre 911 lassen deutlich die Auffassung erkennen, dass dies auch 
eine materielle Neuwahl sei, dass sie aber ohne das Aussterben des 
karolingischen Hauses in der Art nicht nothwendig gewesen sein 
würde: man möchte hier von einer Subsidiarität des Wahlrechts 
sprechen. 
Reg. Chron. cont. a. 911. (MG. SS. I. p. 614): eui (Hludovico) 
Chuonradus . . regali iam stirpe deficiente in regno 
successit. 
So gehen 'nun auch in den folgenden Jahrhunderten, etwa bis zur 
Mitte des dreizehnten, Wahl- und Erbrecht neben einander her; nur dass 
in dieser Vereinigung allmählich, etwa seit der Mitte des elften Jahr- 
hunderts, im Gegensatze zur älteren Auffassung der umgekehrte Ge- 
danke zum Ausdrucke kommt: nicht mehr ist das Erbrecht das Primäre, 
so dass die Wahl nur als Ergänzung oder als Nothbehelf eintritt, son- 
  
1) Annal. Fuld. III. a. 876. (MG. SS. I. p. 390), Reg. Chron. a. 876. (MG. SS. 1. 
p.589); vgl. z. B. den Wortlaut eines Theiles der jüngst angeführten Stelle: noli 
regnum nobis a genitore nostro jure hereditario derelictum more tyrannico 
invadere. 
2) Vgl. Tac. Germ. c. 7: Wahlkönigthum mit starker Neigung zum Erb- 
prinzip. Manche sprechen hier von einer „erblichen Wahlmonarchie“. S. dazu 
Daun, Könige der Germanen, 1. S. 32ff; Scauzze, de testamento Genserici, p. 2ff.; 
ders., Erstgeburt S. 15—47; Grimm, Rechtsalterthümer S. 231; BRunnerR, Deutsche 
Rechtsgesch. I. 8. 122ff. 
3) Regnum suscipit, accipit, in regnum successit u. a. neben rex elevatur, 
effieitur, constituitur u. a. 
TRIEPEL, Interregnum. 2
	        
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