Full text: Das Interregnum.

Seit der goldenen Bulle hat das kein Papst mehr gewagt, 
wenigstens nicht ausdrücklich !), wenngleich die kurialistische Litte- 
ratur zuweilen noch lebhaft in dem angeführten Sinne für die Rechte 
des päpstlichen Stuhles eingetreten ist.?) 
V. Bestimmter wird die Rechtslage des Reichs im Interregnum 
erst mit der Ausbildung des Reichsvikariats des Pfalzgrafen bei Rhein 
und des Herzogs von Sachsen, das gesetzlich zum ersten Male in 
der goldenen Bulle festgestellt wurde. Allein nicht erst durch dieses 
Reichsgesetz, wie die ältere Doktrin annahm, sind die Vikariats- 
rechte der beiden Fürsten geschaffen worden, vielmehr reichen ihre 
Wurzeln erheblich weiter zurück.?) Fraglos ist das zunächst für das 
Recht des Pfalzgrafen. Sein Ursprung allerdings ist dunkel, und 
in den älteren Zeiten ist davon ebenso wenig wie von dem des 
Herzogs von Sachsen bekannt.?) Aber den ersten urkundlichen Beleg 
dafür finden wir schon aus dem Jahre 1254 in den Nabburger Rechts- 
sprüchen 5): die Pfalzgrafen Ludwig und Heinrich geben als Vorsitzende 
des Gerichts von Grafen, Herren und Ministerialen des Reichs und 
Bayerns Rechtssätze über Wald-, Ehe- und Burgenrecht, eine Aus- 
übung reichsriehterlicher Befugnisse, die sich nur dadurch erklären 
lässt, dass die Pfalzgrafen den König Wilhelm nicht anerkannten 
und für die Zeit der Thronvakanz das Vikariat beanspruchten. Deut- 
licher aber erscheint das Vikariat des Pfalzgrafen in zwei Urkunden 
von 1266 und 1267.%) Pfalzgraf Ludwig der Strenge tiberträgt am 
(RAYNALDUSs a. 1323 8 30ff.), vom 7. Januar 1324 (MArTEne et Duranp, Thesaur. 
Anecdot. II. 647), vom 23. März 1324 (ebenda 652), vom 11. Juli 1324 (ebenda 660), 
vom 3. April 1327 (ebenda 671), vom 31. März 1328 (ebenda 727), vom 20. April 1329 
(ebenda 771), das Schreiben Benedikts XII. an den Patriarchen Bertrand vom 
13. Juni 1339 (RıezLer no. 2041) u.a.ım. 
1) Hapnack, Kurfürstencollegium S. 158. 
2) So z. B. Perrus de Anpto, de Rom. imp. lib. II. cap. 10. Vgl. ferner 
Gieree Ill. S. 532, Note 33. Heftige Angriffe auf die päpstliche Anmassung des 
Vikariatsrechts bei Occam, Dialogus P. III. Tr. II. lib. I. cap. 22; MarsıLıvs, 
Defensor pacis Il. 26; LuroLp v. BEBENBURG, Tract. de jure regni et imp. V, VIII 
u.ö.; s. auch die Abhandlung bei Arumarus, Discurs. acad. (1621) S.9. u. A. 
3) EıcHHaorn, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte (5. Ausg.) III. S.41f£. 
— Mit der prätorischen Präfektur im alten Rom, wie Aeltere behauptet haben, 
hingen sie freilich nicht zusammen ! 
4) Vgl. Waıtz, Deutsche Verfassungsgeschichte VII. S. 177£. 
5) Bornmer, Witt. Reg. 26.; Mon. Wittelsbac. I Nr. 56; Koca und Wire, 
Reg. der Pfalzgr. am Rhein, no. 644. 
6) In der ersten dieser Urkunden, nicht schon in den Nabburger Rechtssprüchen 
will RırzLeß, Geschichte Baierns Il. S. 128, Note i, in der zweiten dagegen 
BoEHMmER, Witt. Reg. 31 f. das älteste Zeugniss für das Vikariat der Pfalz erblicken. 
 
	        
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