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namentlich seit der Zeit der Rechtsbücher, aber auch schon früher, den
Amtscharakter des Königthums betont, eine Auffassung, die so weit
gehen konnte, geradezu einen Gegensatz von Kaiser und Reich zu
konstruiren, wie unter Heinrich IV.!), oder den König nur als einen
Vogt des Reiches zu betrachten.)
Was im Besonderen das Interregnum anlangt, so erklärt sich
dessen Betrachtung als einer Zeit ohne jedes Subjekt der Staatsgewalt
zu eigenem Recht allein aus der Auffassung des Staates als eines selb-
ständigen, unabhängigen, mit eigener, von der des Königs streng
gesonderter Persönlichkeit begabten Gemeinwesens, das als solches
in seiner rechtlichen Integrität durch den Wegfall des Gewaltenträgers
nicht berührt werden kann. Der hier entwickelte Gedanke kann kaum
besser ausgedrückt werden, als in der schon oben?) angeführten
Stelle aus Wipo (c. 7.), die es sich verlohnt ihrem vollen Wortlaute
nach hier wiederzugeben. Wie erwähnt, bezieht sie sich auf die
Zerstörung der kaiserlichen Pfalz zu Pavia nach Heinrichs II. Tode.
„Dieebant Papienses: Quem offendimus? Imperatori nostro fidem
et honorem usque ad terminum vitae suae servavimus; quo defuncto
cum nullum regem haberemus, regis nostridomum destruxisse non
jure accusabimur. E contrario rex (Chuonradus): Seio, inquit, quod
domum regis vestri non destruxistis, cum eo tempore nullum
haberetis; sed domum regalem seidisse non valetis infieiari. Si rex
periit, regnum remansit, sieut navis remanet, cuius gubernator cadit.“
So heisst es auch in der goldenen Bulle in scharfer Gegenüber-
stellung (V, 1.):
Comes palatinus Reni... esse debet provisor ipsius imperii
cum potestate....juramenta fidelitatis vice et nomine sacri im-
perii recipiendi, que tamen per regem Romanorum postea eleetum....
de novo sibi juramenta ipsa prestari debebunt....
Von diesem Standpunkte aus begreift es sich ferner, dass man mit
einer gewissen Aengstlichkeit die Vikare zur Zeit des Interregnums
nicht vicarii imperatoris, wie die Vertreter des abwesenden oder
regierungsunfähigen lebenden Kaisers, sondern viearii imperii,
Reichsvikare, zu nennen beliebte.*)
1) Mon. Germ. LL. II. 74; Waıtz VI. S. 371.
2) S. hierzu Waırz VI. S.366ff.; ScHRöDER a.a. 0. S. 169.
3) S. 33.
4) Dieser Unterschied wird in der Litteratur energisch betont: Weiss, disser-
tatio de vicariis S. 15; PFerFInGer, Vitriarius illustratus I. 11, 2; v. SARTORI$ 2;
s. auch v. ABELE S. 35ff.