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die Unhaltbarkeit jener Auffassung sofort erkennen. Wäre das Zwi-
schenreich eine Demokratie, so wäre jedes Staatsorgan, auch das
höchste, ein Organ des Volkes: also der Reichsverweser der
Präsident einer provisorischen Republik. Aber ist der Vikar
das? Ruht sein Recht auf dem Willen des souveränen Volkes,
oder ruht es auf den Satzungen eines von diesem Willen unab-
hängigen objektiven Rechts? Wie wollte man ein Mandat des Vol-
kes zur Ausübung seiner Gewalt an die provisorische Regierung
konstruiren? Endlich kann das Volk als solches schon deshalb nicht
Herrscher sein, weil ja dann möglicher Weise das Ende seiner Herr-
schaft durch den Willen ihm nicht untergeordneter Organe (Wahl-
fürsten) oder durch ein von seinem Willen unabhängiges Ereigniss
(Geburt eines Thronfolgers) herbeigeführt würde.
V. Das erste Resultat unserer Untersuchung ist also das nega-
tive: Der Staat ist im Interregnum weder Monarchie, noch Aristo-
kratie, noch Demokratie, sondern zeitweilig ein Viertes, das ausser-
halb dieser herkömmlich gebrauchten Kategorien steht; der Staat
hat während desInterregnums kein physisches Subjekt,
keinen Träger seiner Gewalt.
Ist das denkbar, oder steht ein solcher Satz mit Wesen und
Eigenschaften des Staates als solchen im Widerspruche, und wenn
nicht, was bedeutet er für den Staat?
$ 12.
Staat und Staatsgewalt im Interregnum.
I. Wenn wir den Beginn des Interregnums in dem Wegfalle des
Monarchen und das charakteristische Merkmal des Zwischenreichs
in dem Fehlen eines physischen Trägers der Staatsgewalt erblicken,
werden wir die Entscheidung der Frage nach den Rechtsfolgen dieser
Erscheinungen für den Staat von dem Erfolge prinzipieller Erörte-
rungen abhängig machen müssen, welche die Stellung des Monarchen
zum Staate und weiter die Notliwendigkeit eines physischen Ge-
waltenträgers im Staate zum Gegenstande haben. Dies um so mehr,
als einerseits die Natur der Monarchenstellung bekanntlich keines-
wegs unbestritten ist, und als andererseits über die begriffliche Notlı-
wendigkeit des Trägers der Staatsgewalt für den Staat weder Ein-
müthigkeit noch Klarheit zu herrschen scheint. Was die letztere
Frage anlangt, so kann man daraus, dass fast durchweg — und