Full text: Vorgeschichte des Waffenstillstandes.

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Ich habe nicht das Recht, Mich diesem Willen zu widersetzen, da Ich nicht mehr 
die Hoffnung auf einen guten Ausgang hege, fuͤr welchen die moralischen und technischen 
Vorbereitungen fehlen, und da unnützes Blutvergießen ein Verbrechen wäre, das zu 
begehen, Mir Mein Gewissen verbietet. 
Die Ordnung im Innern und das monarchische Prinzip sind in der ernstesten 
Gefahr, wenn wir dem Kampf nicht sofort ein Ende bereiten. 
Selbst die innigsten bundesbrüderlichen und freundschaftlichsten Gefühle müssen 
vor der Erwägung zurückstehen, daß Ich den Bestand jener Staaten rette, deren Ge- 
schicke Mir die göttliche Vorsehung anvertraut hat. 
Deshalb kündige Ich Dir an, daß Ich den unabänderlichen Entschluß gefaßt 
habe, innerhalb 24 Stunden um einen Separatfrieden und um einen sofortigen 
Waffenstillstand anzusuchen. 1 
Ich kann nicht anders, Mein Gewissen als Herrscher befiehlt Mir also zu 
handeln. 
In treuer Freundschaft 
Karl.= 
Nr. 84. 
Telegramm. 
Berlin, den 27. Oktober 1918. 
Tit. Grünau. 
Einer Meldung aus Wien zufolge bestehen dort Lweifel an unserer Bereit- 
willigkeit zur Fortführung der kürzlich eingeleiteten Friedensaktion. In diesem Sinne 
gehaltene tendenziöse Nachrichten dürften auch an Kaiser Karl gebracht worden sein 
und ihn zur Abfassung des Telegramms an Seine Majestät bestimmt haben. Unter 
diesen Umständen möchte ich die Absendung eines Telegramms an Kaiser Karl empfehlen, 
das beruhigend auf ihn einwirkt und geeignet ist, ihn von übereilten Schritten abzu- 
halten. Bitte demgemäß nachstehenden Entwurf Allerhöchsten Orts zum Vorschlag zu 
bringen: 
„Teurer Freund! Die Ankündigung Deiner Absicht, unsern Gegnern einen 
Sonderfrieden anzubieten, hat mich auf das schmerzlichste überrascht. Du würdest 
durch Ausführung dieses Gedankens den Plan unserer Feinde freie Bahn öffnen, die 
darauf ausgeht, durch Trennung unserer Reiche unsere Länder leichter ihrem Willen 
zu unterwerfen und ihre antimonarchischen Jiele zu verwirklichen. 
Einen baldigen Frieden wünschen unsere Völker und Regierungen. Nach ihm 
ist Mein Sinnen ebenso gerichtet wie Deins; ihm zu dienen habe ich schwere persönliche 
Opfer gebracht, denn dem Wohl Meines Volkes ordne ich eigene Interessen willig unter. 
Die im Einvernehmen mit Deiner Regierung kürzlich eingeleitete Aktion bezweckt die 
Herbeiführung eines Waffenstillstandes und des demnächstigen Friedens; die Verhand- 
lungen befinden sich im Fluß und können in wenigen Tagen zu dem Ergebnis führen. 
Die bisherige Zusammenarbeit unserer Regierungen, deren Aussichten nicht ungünstig 
erscheinen, würde durch eine Sonderaktion Deiner Regierung im jetzigen Augenblick auf 
das äußerste gefährdet werden. Schon die Bedingungen für den Waffenstillstand werden 
sehr viel schwerer werden, wenn unsere Gegner erfahren, daß unser Bund gesprengt ist.
	        
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