Full text: Vorgeschichte des Waffenstillstandes.

Ludendorff: 
„Ich habe den Eindruck, ehe wir durch diese Note Bedingungen auf 
uns nehmen, die zu hart sind, müßten wir dem Feinde sagen: Erkämpft 
euch solche Bedingungen.= 
Der Reichskanzler: 
„Und wenn er sie erkämpft hat, wird er uns dann nicht noch 
schlechtere stellen? 
Ludendorff: 
»Schlechtere gibt es nicht.« 
Der Reichskanzler: 
»O ja, sie brechen in Deutschland ein und verwüsten das Land.= 
Ludendorff: · 
»Sowei«tsindwirnochnicht.« 
Der letzte Satz weicht aus, denn die Möglichkeit der Abwehr ist auch nach 
Ludendorffs jetziger Ansicht zum mindesten ungewiß, und die Frage war gerade 
die, wie die politische Lage sich nach weiterem vergeblichen Widerstande gestalten 
würde. Die Reichsleitung zieht offenbar dreierlei in Betracht. Erstens, daß im Falle 
der Kapitulation die politische Lage schlechter sein würde. Iwar stellt die letzte 
Note des Präsidenten Wilson scharfe und kränkende Modalitäten des Waffenstillstandes 
in Aussicht. Auch diese Note hält aber für den eigentlichen Friedensvertrag an den be- 
kannten Punkten des Präsidenten fest. Wenn es wirklich gelänge, den Krieg noch einige 
Monate fortzusetzen, so würde man im Falle des schlechten Ausgangs diesen Boden nicht 
mehr unter den Füßen haben. Daneben steht ein zweiter Gedanke. Es war zwar schon 
damals, besonders nach dem Tone der letzten Note zu befürchten, daß Wilson später 
seine Grundsätze verletzen oder die Verletzung dulden würde. Aber da die Note selbst 
eine klare Verletzung noch nicht enthielt, hätte man sich im Falle des Abbruchs der Ver- 
handlungen auf einen klaren Wortbruch nicht berufen können. Daher wäre ein 
Aufruf zum Endkampf nach der Auffassung der Reichsleitung, auch wenn man sich dazu 
entschließen wollte, auf die Dauer ohne Kraft gewesen. Das Verlangen auf Räumung 
und auf Einstellung des U.Boot-Krieges, die allgemein gehaltenen Forderungen auf De- 
mokratisierung waren nach der Ansicht des Reichskanzlers bei aller Schwere keine Gründe, 
die, nachdem einmal die Verhandlungen über einen Wilson-Frieden eröffnet waren, das 
deutsche Volk, das zum größten Teil Demokratisierungen in mehr oder weniger entschie- 
denem Umfange selbst wünschte, zu dem furchtbaren letzten Kampf auf die Dauer erheben 
konnten. Dazu kamen drittens allgemeine Erwägungen. Durch den auch nach der 
letztgen Meinung Ludendorffs wenig aussichtsvollen Kampf würde mit Sicherheit Tod 
und Elend weiter schrecklich gewütet haben. Die Lahl der unglücklichen, schwer Kriegs- 
verletzten hätte sich nutzlos vermehrt. Die Jerstörung Belgiens und Nordfrankreichs 
durch die Kämpfe und durch einzelne, auch bei Milderung der zuletzt geübten Praxis 
unvermeidlich bleibende Eingriffe auf dem Rückzug würde fortgesetzt und die Verwüstung 
in das eigene Land getragen sein. Die materielle Last hätte sich ins unendliche gesteigert. 
lbrigens mußten auch Frankreich und Belgien die mit dem Vormarsch in jedem Falle 
verbundenen weiteren Lerstörungen scheuen. Darin erblickte die Reichsleitung eine 
Stärke der momentanen politischen Lage; denn diese Gegner hatten dadurch auch 
ihrerseits ein Interesse an sofortigem Waffenstillstand, mehr als etwa nach dem Erreichen 
der deutschen Grenze.
	        
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