Vertrag zwischen Bayern u. Nordamerika v. 26. Mai 1868. 205
I. Zu Art. I des Vertrages.
1. Nachdem die Kopulative „und“ gebraucht ist, versteht es sich
von selbst, daß nicht die Naturalisation allein, sondern ein dazu
kommender fünfjähriger ununterbrochener Aufenthalt erforderlich ist,
um eine Person als unter den Vertrag fallend ansehen zu können,
wobei übrigens keineswegs erforderlich sein soll, daß der fünffährige
Aufenthalt erst nach der Naturalisation folgen müßte.
Doch wird hierbei anerkannt, daß, wenn ein Bayer des baye-
rischen Indigenates oder andrerseits ein Amerikaner der amerikanischen
Staatsangehörigkeit in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise von der
Regierung seines bisherigen Vaterlandes entlassen worden ist, und
sodann die Naturalisation in dem andern Staate in rechtlicher Weise
und vollkommen gültig erlangt hat, dann ein noch hinzukommender
fünfjähriger Aufenthalt nicht mehr erforderlich sein soll, sondern ein
solcher Naturalisierter vom Momente seiner Naturalisation an als
bayerischer und umgekehrt amerikanischer Angehöriger erachtet und be-
handelt werden soll.
2. Die Worte „ununterbrochen zugebracht“ sind selbstverständlich
nicht im körperlichen, sondern im juristischen Sinne zu nehmen, und
deshalb unterbricht eine momentane Abwesenheit, eine Reise oder der-
gleichen keineswegs die fünfjährige Frist, welche der Artikel I im
Sinne hat.
II. Zu Art. II des Vertrages.
Es wird anerkannt, daß eine nach Artikel I als Angehörige des
andern Staates zu erachtende Person bei ihrer etwaigen Rückkehr in
ihr früheres Vaterland auch nicht wegen des etwa durch seine Aus-
wanderung selbst begangenen Reates einer Strafe unterworfen werden
kann und selbst nicht später, wenn sie die neuerworbene Staatsange-
hörigkeit wieder verloren haben sollte.
III. Zu Art. IV des Vertrages.
1. Man ist beiderseits übereingekommen, daß die den beiden
Regierungen gesetzlich gestatteten Sicherungsmaßregeln gegen solche in
ibrem Territorium sich aufhaltende Fremde, deren Aufenthalt die Ruhe
und Ordnung gefährdet, durch den Vertrag nicht berührt werden;
insbesondere wird die im bayer. Wehrgesetze vom 30. Januar 1868,
Art. 10 Abs. 2 enthaltene Bestimmung, wonach denjenigen Bayern,
welche vor Erfüllung ihrer Militärpflicht aus Bayern ausgewandert
sind, der ständige Aufenthalt im Lande bis zum vollendeten zweiund-
dreißigsten Lebensjahre untersagt ist, durch den Vertrag nicht berührt,
doch wird konstatiert, daß durch den in Art. 10 gebrauchten Ausdruck:
„der ständige Aufenthalt“ ohnehin schon derartig Ausgewanderten
eine kürzere und zu bestimmten Zwecken unternommene vorübergehende