heiten und insbesondere bei größeren Festlichkeiten staunend die große
Pracht des kaiserlichen Hofes mit seinem alten spanischen Zeremoniell
bewundern.
Ein Erlebnis mit der Kaiserin ist mir unauslöschlich im Ge—
dächtnis geblieben. Eines Tages kam die hohe Frau zum Tee nach
Hetzendorf zu meiner Mutter. Ich schrieb gerade an meinem schon
erwähnten, leider aber wohl verloren gegangenen Tagebuch, als mich
meine Mutter in den Garten holen ließ, in dem sie mit der Kaiserin
spazieren ging. Die Kaiserin begrüßte mich mit der ihr eigenen ge—
winnenden Freundlichkeit, und dann erteilte mir meine Mutter den
Auftrag, während des Spazierganges die lange Schleppe Ihrer
Mafestät zu tragen. Ich habe diesen kleinen „Bagendienst" mit Be-
geisterung übernommen und dabei die hoheitsvolle Haltung der
Katserin und den herrlich schwebenden Gang, der sie auszeichnete,
andächtig bewundert. Von ihr galt buchstäblich, was eine dltere In-
struktion im Hofton zu fordern pflegte: sie setzte sich nicht, sondern
sie ließ sich nieder; sie stand nicht auf, sondern sie erhob sich, sie
ging nicht, sondern ste pflegte zu schreiten. So läßt sich wohl der
sichere Rhpthmus, der alle Bewegungen der Kaiserin beherrschte, am
besten kennzeichnen.
Die kaiserliche Familie war außerordentlich zahlreich, da mit
Ausnahme des Kaisers Maximilian von Mexiko alle Brüder des
Katsers noch am Leben waren und ebenso noch viele nähere Ver—
wandke, die zum Teil zahlreiche Familien besaßen. Bor allem freute
es mich, zum ersten Male Erzherzog Albrecht zu sehen, den be-
rühmten Sieger von Custozza. Des weiteren wurde ich sehr freund-
lich vom Erzherzog RNainer, dem Schwager des Erzherzogs Al-
brecht, behandelt, der als großer Kunstkenner mich auf die reichen
Sammlungen in Wi#n aufmerksam machte. Auch Erzherzog Friedrich
und die Erzherzogin Elisabeth nahmen sich meiner freundlich an.
Die Erzherzogin war eine imposante Erscheinung und wies eine
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