Freiheit der Anschauung bewahrt werden, deren ein preußischer König
und deutscher Kaiser bedarf zum gerechten Regieren über konfessionell
so verschiedene Untertanen. Es wurde deshalb mit großer Vorsicht
ein Geistlicher ausgewählt, welcher sich von jeder Parteistellung fern—
gehalten. Und zwar geschah dies mit der offiziellen Motivierung,
es sei die sehr natürliche Absicht, dem Knaben die christliche Lehre so
bieten zu lassen, daß er zu seinem eignen Leben sie verwenden könne.
Die Zeit werde früh genug kommen, in welcher er dieselbe als politisches
Streitobjekt ansehen müsse und werde. Dazu sei aber die erste Be—
dingung, daß ein Geistlicher gewählt werde, dem weder seine Neigung
noch seine Stellung ein Hineinziehen des dogmatischen und kon—
fessionellen Streites in den Konfirmationsunterricht zur angenehmen
Pflicht mache.
Die am Schluß abgehaltenen strengen, wenn nicht mißtrauischen
Prüfungen fielen glänzend aus und bewiesen klar, daß der Prinz
die Kirchenlehre vollkommen beherrschte. Er selbst erklärte auch in eben
dieser Zeit bei einem intimeren Gespräch, er habe erkannt, daß das
Christentum die Wahrheit enthalte und er gedenke sein Leben danach
einzurichten. Die Abfassung des Glaubensbekenntnisses, welches er
nach der Tradition der Familie an dem Tage der Konfirmation vor
der versammelten Gemeinde vorzulesen hatte, zeigte sich dennoch
schwierig. Es sollte im Gegensatz zu dem sonstigen Gebrauch möglichst
individuell gehalten sein und selbständig aufgestellt werden, obwohl es
doch andererseits immer nur eine mehr oder weniger persönlich gefärbte
Paraphrase des Apostolischen Glaubensbekenntnisses sein konnte und
durfte. Der Prinz pflegte dann zu diesem Behuf einsame Spazkter-
gänge am Strande von Scheveningen zum „Meditieren“ zu unter-
nehmen, und es bildete diese Arbeit das wichtigste Interesse während
des Aufenthaltes an der See im Sommer 1874.
Uberhaupt wurde für den Prinzen, nachdem er die christliche Lehre
mit Andacht und Begierde aufgenommen hatte, die Konfirmations=
*