Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

zeit eine Periode wahrer Erbauung und damit Erhebung auf eine 
höhere Stufe inneren Lebens.» 
Das innere Erleben jener Zeit war in der Tat so gewaltig, daß 
alle äußeren Ereignisse in Scheveningen dagegen völlig zurücktraten. 
Ich will diese daher auch hier beiseite lassen und nur zweler Histör- 
chen Erwähnung tun, an die ich immer denken muß, wenn ich mich 
an diese Wochen erinnere. 
Unter der lehrreichen Führung von Hinzpeter machten wir vielfach 
Ausflüge in die holländischen Städte zum Besuch der Kirchen und 
Galerten, die mich außerordentlich interessierten. So besuchten wir z. B. 
das Mauritz-Huis im Haag, das Risksmuseum in Amsterdam und das 
Frans-Hals-Museum in Haarlem, das sich damals noch im Rathaus 
befand. Tiefen Eindruck hinterließen mir vornehmlich die herrlichen 
Werke von Nembrandt, van Dyck und Grans Hals. Stofflich inter- 
essterten mich vor allem die Bilder, die die großen holländischen See- 
schlachten darstellten, und oftmals versuchte ich sie daheim aus dem 
Gedächtnis nachzuzeichnen. 
Bei der Heimkehr von solchen Ausflügen pflegten wir vom 
Haag aus mit der Tram nach Scheveningen hinauszufahren. Wir 
hatten uns mit einem Tramschaffner besonders angefreundet, der 
den Krieg von 1870 in der Armee meines Baters mitgemacht 
und sich In der Schlacht bei Wörth ausgezeichnet hatte# er erzählte 
uns daher mancherlei aus senen Tagen und von der Begelsterung 
der Truppen für meinen Bater. An einer Stelle, wo die Tram- 
bahn eine sehr scharfe Kurve machte (es war damals noch Pferde- 
betrleb), pflegte der Wagen zilemlich regelmäßig zu entgleisen, was 
das Kommando des Schaffners zur VFolge hatte: „Weine Herren, 
den Wagen wieder hineinschieben!"“ Wir Jungens sprangen dann 
von der Tram, stemmten uns gegen den Wagen, schoben ihn wieder 
ins Gelelse und waren stolz, wenn wir dafür den Dank der In- 
sassen ernteten. 
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