Unser Kirchenbesuch führte uns einmal auch nach Gouda, wo wir
in der Kirche die Fenster mit den schönen Glasmalereien bewunderten.
Eins stellte Judith und Holofernes dar in dem Augenblick, da die
jüdische Heldin mit dem Haupt des Feldherrn Nebukadnezars das
Zimmer verläßt, der kopflose Leichnam des Holofernes lag in einem
prachtvollen Bett mit seidnen Vorhängen. Aber mein historisches
Stilgefühl wurde auf das ääußerste beleidigt, als ich neben dem
Bett einen eleganten Nachttisch bemerkte, auf dem ein chinesisches Tee-
geschire stand. Meine GFrage, ob die Leute damals schon Tee ge-
trunken hätten, brachte den armen Hinzpeter in die größte Verlegen-
heit. Ebenso meine wektere Frage, wie Holofernes, da er doch wohl
in einem einfachen Zelt gehaust hätte, es habe fertigbringen können, ein
so wertvolles Teegeschirr auf seinem Kriegszuge mitzunehmen, ohne
daß es entzwei ginge. Ob er vielleicht ein besonderes Teekamel gehabt
habe? Erst als Hinzpeter voller Berzweiflung antwortete, daß Judith
es ihm wahrscheinlich als Geschenk mitgebracht habe, war ich zufrieden.
Dieser Goudaer Kirchenbesuch hatte ein Nachspiel. Die damalige
Königin der Niederlande, Sophie, ließ uns bisweilen in ihr Balais
kommen und uns mit Tee, Kuchen, Erdbeeren und Korfekt regalieren,
wobei wir ihr von unseren Ausflügen in Holland erzählen mußten.
Das geschah auch nach unserm Besuch in Gouda. Als wir ihr be-
richteten, wo wir gewesen waren, fragte die Königin erstaunt: „Was
in aller Welt, Kinder, habt Ihr denn in Gouda gemacht?" Wir:
„Liebe Tante, wir haben uns die schöne Kirche angesehen.“ Königin:
„Was ist denn in der Kirche so Schönes zu sehen?“" Ich: „Aber
liebe Tante, die schönen Genster!“ „Die Eroberung von Damiette,"
fügte Heinrich hinzu, „wo die holländischen Schiffe die Absperrungs-
kette des Hafens gesprengt haben,“ worauf ich sofort einsprang mit
der Bemerkung: „Judith und Holofernes, und er hat einen schönen
Nachttisch mit einem chinesischen Teeservice!“ Königin: „Aber das
ist fa unmöglich, Holofernes hat doch niemals Tee getrunken, das
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