mit ihm außerordentlich gewinnbringend. Auch bei Königin Victorka
stand er in hohem Ansehen, und ebenso verehrte ihn ihr Leibarzt
Sir James Reid, der überhaupt ein großer Anhänger der deutschen
Medizin war. Ich werde Leutholds stets mit großer Dankbarkeit
gedenken. ·
Unter den Hofpredigern war die führende Persönlichkeit zur Zeit
meines Großvaters Oberhofprediger D. Kögel. Seine Figur zeich-
nete sich burch eine solche Größe aus, daß er einst Flügelmann des
Kaiser Alexander-Garde-Grenadierregiments Nr. 1 gewesen war. Aus
seinem Gesicht sprachen Energie und ein gewisser Fanatismus, der
ihm zuweilen etwas Finsteres verlieh, er war leidenschaftlich „ortho-
dox“. Seine Predigten waren voll kühnen Gedankenschwunges und
in der Form vollendet, doch fehlte es ihnen an einer gewissen sym-
pathischen Wärme, sie wirkten mehr auf den Berstand als auf das
Herz. Im Königlichen Hause genoß er allgemein hohes Ansehen
und stand besonders meinen Großeltern sehr nahe, er hat ihnen bei-
den wundervolle Gedächtnisreden gehalten. Bei dem Gedenkgottes-
dienst für meine Großmutter in der Kapelle des Schlosses zu Berlin
mußte er seine Rede plötzlich abbrechen, da er von einem Unwohl-
sein befallen wurde, das ein Aussetzen des Gedächtnisses zur Folge
hatte. Ich erfuhr später von den Arzten, daß D. Kögel während
seines ganzen Lebens keine Predigt, keine Ansprache frei gehalten,
sondern alle auswendig gelernt hatte. Die vielen Andachten an den
Sterbelagern meiner beiden Großeltern hatten ihn so überanstrengt,
daß schließlich das Gedächtnis den Dienst versagte. Sein Ausscheiden
bedeutete das Verschwinden einer der markantesten Bersönlichkeiten
unter den Geistlichen seiner Zeit.
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In engen Beziehungen zu meiner Tante Luise, wie vor allem
auch zu meiner Großmutter stand Hofprediger Frommel, der aus
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