Baden stammte. Von kleiner, zierlicher Gestalt, mit langem, schnee-
weißen, aus der Stirn zurückgekämmten Haar, großen leuchtenden
Kinderaugen, mit lebhaftem Gebärdenspiel, ein kristallener Charakter,
eine durch und durch sonnige Natur, gewann er sich aller Herzen.
Ich glaube ohne Ubertreibung sagen zu dürfen: Frommel hat nie
einen Feind gehabt! Seine gutmütige Mildtätigkeit kannte keine
Grenzen. Die Armen von Berlin konnten ein Lied davon singen,
denn er gab tatsächlich, wenn einer den Rock forderte, auch den
Mantel. Als Garnisonpfarrer predigte er in der Berliner Garntson-
kirche und war bei den Soldaten und seiner Zivilgemeinde ungemein
beliebt. Seine Predigten sprach er schlicht und klar und erfüllte sie
mit wohltuender Wärme und wundervollen Bildern, die er gleich
dem Heiland aus der Natur zu nehmen pflegte. Seine Bitten um
Unterstützung für diese oder sene Familie, Bereine oder Gemeinden
trug er mit so beredter Innigkekt vor, daß ihnen nie der Erfolg
versagt blieb. Er erzählte mir gelegentlich, daß man nach seiner
Erfahrung zu feder Predigt oder überhaupt zu jeder Rede erst ein-
mal „einen Nagel“ haben müsse, an dem man die Sache aufhängen
könne. So sei er einmal in eine Versammlung gegangen, um für
eine Kollekte zu einem Kirchenbau zu sprechen, hätte aber noch keinen
Nagel gehabt und sich den Kopf zerbrochen, einen ausfindig zu
machen. Als er nun an der Straßenecke einen ihm seit langem
bekannten Drehorgelmann getroffen habe, hätte dieser ihm zugerufen:
„Herr Hofprediger, Sie sind doch sozusagen ein anständiger Mann,
geben Sie mir doch einen Groschen!“ Unun hätte er seinen „Nagel“
gehabt und in seiner Ansprache dann der Versammlung gesagt:
Das Geld sei da (allgemeine Begeisterung), aber noch nicht hier
(Enttäuschung). Die sehr geehrten Damen und Herren seien doch
sozusagen „anständige Leute“, also möchten sie ihm doch die nötigen
Beiträge geben. Der Erfolg sei gewesen, daß eine namhafte Summe
gezeichnet wurde.
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