Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

gehabt, den der Gebildetste desselben durchgemacht, wenn er mit 
denselben Vorstellungen und Grundsätzen genährt werde wie sie, wenn 
er auch Gelegenheft gehabt, mit Menschen aus anderen, von seiner 
späteren gewohnten Umgebung verschiedenen Klassen in vielfach nähere 
Berührung zu kommen .» 
Die Verwirklichung seines Planes scheint meinem Erzieher erheb- 
liche Schwierigkeiten bereitet zu haben, wie aus seinen Aufzeichnungen 
zu entnehmen ist. Er betont, daß es sich dabei um einen Bruch mit 
der Tradition an dem in Familienangelegenheiten konservativsten Hofe 
der Welt gehandelt habe, auch die Borstellung von einem Thronerben 
auf der Schulbank, schutzlos der Kritik der Welt preisgegeben, hätte in 
weiten Kreisen Anstoß erregt und der Plan ihrer Verwirklichung hef- 
tigen Widerstand erfahren. Hinzpeters Anregung wurde daher zunächst 
nur als Direktive hingestellt, und demgemäst wurde, wie ich bereits 
schilderte, außer der Mathematik auch das Griechische in den Unter- 
richtsplan aufgenommen, seine in der Erzkehung von Prinzen uner- 
hörte und vielkritisierte Maßregelo. Aber mit der ihm eigenen west- 
fälischen Zähigkeit überwand Hinzpeter alle Widerstände, die sich 
seinem Blan in den Weg stellten. Zu Anfang des Jahres 1874 
scheint dessen Ausführung genehmigt worden zu sein. 
Für die Wahl des Ortes ließ Hinzpeter sich von, dem Gestchts- 
punkt leiten, daß dieser eine gesunde Lage besigen und in der Nähe 
einer größeren Stadt gelegen sein müsse, um die Lehrmittel für den 
französischen und englischen Unterricht, die das Gymnasium nicht bot, 
erreichbar zu machen. Im März 1874 dachte er in erster Linie an 
Homburg oder Wiesbaden, erst eine Neise im August dürfte die Ent- 
scheidung für Kassel gebracht haben. 
In der Tat war Kassel ein geradezu ideal zu nennender Ort für die 
Schulsugend. In der kleinen Stadt beherrschten die Schulen damals 
das ganze Leben wie sonst nur die Universitäten. Die schöne Gegend 
mit ihren herrlichen Gartenanlagen gab Gelegenheit genug zu Spa- 
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