Alle diese Persönlichkeiten, zu denen noch manche andere aus
allen Ständen hinzukamen, Offiziere, Professoren, Beamte, alte
Kurhessen und stramme Preußen, sah ich auch häufig bei mir zu
Gast. Es gehörte mit zu Hinzpeters Brogramm, eine „Versöhnung
der Stände“ herbeizuführen. Daher mußte General v. Gottberg
wöchentlich einmal ein Diner arrangieren, zu dem die Einladungen
diesem Brogramm entsprachen. Hinzpeter nannte das seine „Ber-
söhnungsdiners“.
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Spaziergänge und kleinere wie größere Ausflüge unternahm mein
Mentor mit uns in der gleichen Weise wie früher in Berlin und Bots-
dam. Wir haben so die nähere oder weitere Umgebung von Kassel
zu Fuß oder zu Pferd gründlich abgestreift und Gegend wie Menschen
gut kennen gelernt. Hinzpeter pflegte bei diesen Gelegenheiten das
Angenehme mit dem Aützlichen zu verbinden, indem er uns historische
oder andere Themen vortrug oder auch sich vortragen ließ, sedenfalls
bot sich hier in der freien Natur Gelegenheit zu reichem Gedanken-
austausch und lehrreichen Beobachtungen.
Wir haben in der Kasseler Zeit nur eine Reise, und zwar im
Sommer 18756, nach Scheveningen gemacht. An diese Wochen, die
wir, alle Kinder, mit unseren Eltern in dem holländischen Seebade
verlebten, gedenke ich mit besonderer Freude und erinnere mich noch
mancher Einzelheiten. Bor allem war es so schön, daß mein Vater
in der Ungebundenheit des Badelebens, fern dem Hofe und allem
Zwang, seiner inneren Natur folgen konnte und ganz kameradschaft-
lich mit uns lebte. So entsinne ich mich noch voller Vergnügen, wie
er mit uns auf den Utrechter Waffelmarkt ging und uns zu inten-
siver Tätigkeit mit den Worten aufforderte: „Futtert euch man ordent-
lich voll“ — und Hinzpeter mußte sich darauf beschränken, ein finsteres
Gesicht zu machen!
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