Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Vaters die 6. Kompagnie auf dem Bornstedter Felde vorzuexerzieren. 
An jenem Tage schrieb mein Vater in sein Tagebuch: „Wilhelm 
exerzierte die 6. Kompagnie vorm Kommandeur Oberst v. Deren- 
thall recht gut, fast fehlerlos und ohne alle Hilfe. Er hat sich auch 
in der Dienstinstruktion und der Gewehrkenntnis sicher erwiesen. Er 
findet überall Anerkennung wegen hingebenden Eifers und Passion, 
auch soll er militärische Anlagen zeigen, die auf Talent schließen lassen." 
Neben meinem praktischen Dienst, der fast den ganzen Tag aus- 
füllte, mußte ich mich noch zum Offiziersexamen vorbereiten. Die 
notkwendigen Kenninisse vermittelten mir die mit dem Unterricht be- 
auftragten Offiziere: Hauptmann v. Neumann Waffenlehre, Haupt- 
mann Diener Befestigungslehre, Hauptmann Meper Feldkunde und 
Hauptmann Bietinghoff, gen. von Scheel Taktik und Nebenfächer. 
Das Examen fand am 14. Juli in Gegenwart meines Baters vor 
dem gefürchteten Bräses der Ober-Militärexaminations-Kommission, 
dem General der Infanterie v. Holleben statt, und ich kann sagen, 
daß ich dabei gut bestand. 
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Das Reglement, nach dem die Infanterie zur Zeit meines Ein- 
tritts ausgebildet wurde, war, abgesehen von wenigen Modifikationen, 
wie z. B. den kurz vor dem Kriege 1806 von General v. Steinmetz 
eingeführten Halbbatafllonen, im allgemeinen noch dasselbe wie zu 
Anfang des 19. Jahrhunderts. Die von der Truppe ersehnte Um- 
gestaltung des Reglements hatte weder das Jahr 1866 noch das 
Jahr 1870 gebracht. So waren z. B. bei der Ausbildung des 
Batakllons einerseits Bewegungen desselben nur unter Kommando 
des Batafllonskommandeurs auszuführen, während anderseits bei 
der Gefechtsausbildung das Batatllon in vier Kompagniekolonnen 
guseinandergezogen wurde, deren vor ihrer Front befindliche Haupt- 
leute die Befehle des Bataillonskommandeurs durch eigenes Kom- 
mando ausführten. Der Hauptmann war also bei der Bataillons- 
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