Von diesen Vorlesungen habe ich eine Anzahl in der Universität
selbst gehört, so selbstverständlich die Experimentalvorträge, die meisten
aber haben mir die Professoren als Privatissima bei mir zu Hause
gehalten. Auf diese Weise war es möglich, die im Verhältnis zu
anderen Studenten beschränkte Zeit, die mir zur Verfügung stand,
besser auszunutzen, als wenn ich nur auf das Anhören im Audi—
torium angewiesen gewesen wäre. Ich habe damals ganz zwischen
Professoren und Studenten gelebt, auch mit ersteren sehr viel per-
sönlichen Verkehr gepflegt, bin bei ihnen gewesen und habe sie zu
mir eingeladen.
Der Staatsrechtler Loersch, der spätere Kronsyndikus, war zu
jener Zeit einer der jüngsten Professoren in Bonn, sehr elegant,
dußerst gewählt sprechend; er war mit einer Tochter des Zentrums-
führers Reichensperger verheiratet. Ich habe ihn ungemein gern
gehabt, auch mit ihm verkehrk und zahlresche anregende Abende in
seinem Hause verlebt. Aus seinen Vorlesungen, die ich mit großem
Interesse hörte, glaube ich reichen Gewinn gezogen zu haben. Er
war übrigens ein geborener Aachener, und unter seiner Führung
bin ich damals zum ersten Male in der Stadt Karls des Großen
gewesen. Es gehört gewiß nicht zur akademischen Wissenschaft, ich
möchte es aber doch an dieser Stelle nicht verschweigen, was ich
dort in Aachen bei der Schwägerin Professor Loerschs gelernt habe:
nämlich Salat zu bereiten!
Professor Haelschner war ebenfalls persönlich sehr freundlich und
verbindlich, die an sich interessante Materfe, die sein Kolleg behan-
delte, trug er aber, wie ich glaube, ziemlich trocken vor. Ebenso-
wenig gelang es Professor v. Stintzings Vorträgen, mich für Justi-
nian und die Pandekten zu begeistern. Der Nationalökonom Nasse,
ein Bruder des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, war ein Mann
von hoher Begabung, für seine Vorlesungen war ich jedoch damals
wohl noch zu fung. Dagegen gefielen mir die finanzwissenschaft-
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