Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

In dem gastlichen Hause des Husarenobersten Prinzen Hein— 
rich XIII. Reuß und dessen liebenswürdiger Gemahlin, einer geborenen 
Gräfin Hochberg, Tochter des Fürsten von Pleß, verlebte ich man— 
chen heiteren Abend mit Scharaden, Theaterspiel oder Bällen. Ein 
amüsanter Kamerad war ein anderer Reuß, Prinz Heinrich XXIV. 
aus der Kinie Ernstbrunn-Köstritz, der vor allem ungemein musikalisch 
veranlagt war. Er spielte Orgel und Klavier, komponierte und diri- 
gierte und war insbesondere ein guter Bachkenner. Wir haben ein- 
mal zusammen in einem kleinen Stück gespielt, in dem Reuß einen 
sächsischen Kammerdiener zu mimen hatte, das machte er so natur- 
getreu und zwerchfellerschütternd, daß er die Mitspieler aus dem 
Text brachte. FGerner erwähne ich meinen späteren Adjsutanten, 
Major Moßner, den nachmaligen Botschafter Graf Pourtales, dann 
Herrn von dem Knesebeck, der später Privatsekretär bei der Kaiserin 
Augusta und dann bei meiner Frau war. Knesebeck war eine Natur 
ähnlich der des Grafen Seckendorff, künstlerisch veranlagt, hoch- 
gebildet, sprachenkundig und schwärmerisch begeistert für Italien, be- 
sonders Benedig. 
TAuch General v. Loé, der die Königshusaren 1870 gegen Frank- 
reich geführt hatte, kam oft zum Regiment. Ich verdanke den Ge- 
sprächen mit ihm einen großen Schat an militärischen Lehren aus 
Kriegs= und Friedenszeiten. 
Geldmarschall Herwarth v. Bittenfeld, der mich in freundlicher 
Weise in seinem Hause aufnahm, ließ sich gern von mir aus meinem 
Leutnantsleben erzählen. Wenn dieser kernige alte Haudegen bei 
den großen Kommersen der Universität von der Tribüne der Hono- 
ratioren herab zu uns Studenten sprach, dann erhoben wir uns alle 
und standen mit der Front gegen ihn „stramm, die Hände an der 
Hosennaht". Und wenn seine kurzen, knappen, wie Hammerschläge 
die Begeisterung weckenden Worte verklungen waren, dann donnerten 
die drei Hurras und die Nationalhpmne durch den Saal, daß die 
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