daß meine Großmutter, was seit dem Tode des Prinzgemahls nicht
geschehen war, an einem großen Familienfeste, wenn auch in Trauer,
teilnahm. Acht Tage nach unserer Heimkehr von dem fröhlichen
Feste traf uns der schwere Schlag: am 27. März starb mein Bruder
Waldemar an der Diphtherie. Das Leid meiner Eltern über den
Verlust dieses stattlichen Sohnes war unsagbar, unser Schmerz über
alle Worte tief und grausam. Dem dahingeschiedenen Bruder die
Totenwache in der Friedenskirche zu halten, war das einzige, was
ich ihm an Liebe noch erweisen konnte.
Einige Wochen der Ruhe in Homburg sollten uns helfen, diesen Schick-
salsschlag zu überwinden.
“ * *
Im August 1879 entstand plötzlich infolge eines Briefes Zar
Alexanders II. an meinen Großvater eine schwere politische Krisis.
In Ausführung des Berliner Vertrages von 1878, der den ent-
scheidenden Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Rußland und
Deutschland bildete, war eine Kommisston aus den Signatarmächten
zusammengetreten, um die neuen Grenzen auf dem Balban festzu-
legen, dabei glaubten die Russen Anlaß zu haben, mit der Haltung
der deutschen Bertreter unzufrieden zu sein. In seinem Beschwerde-
briefe hatte nun der Zar dem Kaiser vorgeworfen, „eine persönliche
Verstimmung" Fürst Bismarcks sei das Motiv für die Haltung
Deutschlands gegentiber Rußland, weiterhin sich auf die Dienste be-
rufen, die Rußland dem Nachbarstaate während des Krieges 1870
erwiesen, und mit unverhüllten Drohungen geschlossen. Mein Groß-
vater war tief verletzt über die Handlungsweise seines Neffen, um so
mehr als er selbst noch aus seiner Jugendzeit her die stärksten russischen
Sympathien hegte und ihm die deutsch-russische Freundschaft ein „Heili-
ges Vermächtnis' war. Daß die Stimmung in Rußland setzt eine
ganz andere war, wollte er nicht erkennen. Infolge des Zarenbriefes
wurde Generalfeldmarschall v. Manteuffel mit einem kaiserlichen Ant-
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