Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

mich als Major bei meinem Großvater zu melden, eröffnete mir der 
Kaiser unter Worten gütiger Anerkennung, daß ich zur Dienstleistung 
dem Garde-Husarenregiment zugeteilt sei. 
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Bei meinem Eintritt in das Erste Garderegiment zu Fuß am 
9. Februar 18707 hatte ich im Schloß zu Potsdam eine eigene Woh- 
nung erhalten, Major v. Liebenau, der mir als persönlicher Be- 
glefter zugeteilt wurde, leitete auch mein Hauswesen. Ich vertauschte 
damals das Leben im lieben Elternhaus mit dem im Kreise meiner 
Regimentskameraden. Aber auch das war eine „FJamilie"“. Ich 
wurde schnell vertraut mit meinen Kameraden, die mich ganz als 
efnen der ihrigen behandelten und in schlichter, herzlicher Weise sich 
meiner unerfahrenen Jugend annahmen. 
In dem von altpreußischem Geiste beherrschten Kameradenkreise 
habe ich mich stets unendlich wohl gefühlt. Das Leben im Kasino 
war einfach, anspruchslos und billig. Msttags nach dem Dienst 
bildete fast durchweg das Gericht „Setzeier mit Bratkartkoffeln“ das 
Grühstück der hungrigen Schar. Nachmsttags um 7 Uhr gab es 
Suppe, ein warmes Gericht, Käse und Obst, süße Speisen nur an 
Sonn= und Fefertagen. Wer unpünktlich erschien und sich dem Cisch- 
dlrektor gegenüber nicht durch Dienst entschuldigen konnte, mußte 
Strafe zahlen. Sekt kam nie auf den Tisch, außer zu Katsers Ge- 
burtstag oder nach der Besichtigung. Nach Tisch wurde bis zum 
Abenddienst geraucht, mustziert oder geplaudert. Um 8.30 Uhr traf 
man sich wieder, um Whist, Biquet, Skat, Schach oder Billard zu 
spielen. Zum Abendbrot fand man sich in der Frühstücksstube zu- 
sammen, wobei meist zu einem Glas Biter ein einfaches Butterbrot 
gegessen wurde. Danach verbrachte man einige Zeit bei lustigem 
Geplauder, erfüllt vom Gesst harmlosen, freimütigen Frohsinns, um 
frühze#tig zur Ruhe zu gehen, da der Dienst im Winter um 7 Uhr, im 
Sommer um 6 Uhr oder früher begann. 
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