Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

an einzelnen besonderen Ubungen sowie auf Ortentierung in der 
fortschreitenden Ausbildung der Eskadrons und in der Winterdressur 
erstrecken. Mithin war für ausreichende Beschäftigung im Winter 
militärisch wie ziviliter gesorgt. 
Es war für mich in hohem Maße lehrreich, den vorbildlichen 
Reiterführer von Krosigk sein Regiment reglementarisch anlernen zu 
sehen und dann unter seiner Leitung ausbilden zu dürfen. Mit der 
hohen Pferdedressur, die er in das Regiment hineingebracht hatte, 
konnte dieses die befohlenen Bewegungen in allen Gangarten, auch 
den stärksten, in voller Haltung und bester Ordnung ausführen. Das 
Regiment evolutionierte fehlerlos, ein Musterbeispiel für die ganze 
preußische Reiterei. 
Am 22. Mai 1883 kam der große Tag, an dem ich das Regiment 
meinem Großpvater vorzustellen hatte. Wie klopfte mein Herz, als 
der Kaiser, von glänzendem Gefolge umgeben — darunter auch der 
große Reiterführer Brinz Friedrich Karl — sich der rotschimmernden 
Linie meines Regimentes näherte! An den ersten Parademarsch, 
der zur vollen Zufriedenheit verlief, schloß sich das Exerzieren an, 
dessen Berlauf auf eingezeichnetem Blan dem Katser vorher eingereicht 
worden war. Diese Bewegungen waren um so schwieriger, als mein 
Großvater infolge seines hohen Alters nicht mehr viel reiten konnte 
und daher um ihn herum exerziert werden mußte. Unter den Evolu- 
tionen zeigte ich den Galopp des in Eskadronsfronten abgeschwenkten 
Regiments in die Flanke eines gedachten Feindes. Als ich auf einem 
Hügel Posto faßte, um das Einschwenken des Regimentes von dort 
aus zu befehlen, und die fünf Eskadronsfronten in schönster Ord- 
nung hintereinander angaloppiert kamen, tauchte plötzlich Brinz Fried- 
rich Karl auf und rief mir zu: „Bravo, Wilhelm, das hast du gut 
gemacht! Wie ein echter Husar!“ Die Besichtigung endete mit einer 
Attacke auf eine wirkliche im Feuer stehende Batterte mit Bedeckung 
und mit der Fortführung der genommenen Geschütze unter Zuhilfe- 
13 Auts meinem Leben 193
	        
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