Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Dann verließ ich die Ubungen des Gardekorps, um mich in der 
Rheinprovinz beim Generalfeldmarschall Graf Moltke als der Mans- 
verleitung zugeteilt zu melden. Da Woltke jedoch unpäßlich geworden 
war, hatte Graf Waldersee in seiner Vertretung die Leitung über— 
nommen. Mein Bater war Oberschiedsrichter. Auf dem Parade- 
feld bei Euskirchen stand das Königin Augusta-Garde-Grenadier- 
regiment auf dem rechten Flügel des VIII. Armeekorps, neben dem 
rechten Flügel des I. Bataillons hielt der Wagen mit meiner Groß- 
mutter, rechts neben ihr General v. Los und General v. Pape. Es 
war ein tiefbewegender Augenblick, als mein Großvater, gefolgt von 
meinem Vater und mir, an die Kaiserin, den erlauchten Chef, heran- 
sprengte und ihr die Hand küßte. Es sollte das letzte Mal sein, daß 
sie dem Obersten Kriegsherrn ihr Regiment vorführen bonnte. 
Während der folgenden Manvertage wurde ich mehrfach von 
der Heitung zum Stabe des Generals v. Witzendorff (VII. Armee- 
korps) zur Nachrichtenübermittlung kommandiert. Der General war 
ein hagerer Mann, lang aufgeschossen, mit Augen, die unter buschigen 
Augenbrauen feurig hervorblitzten, niemals hatte ihn jemand lächeln 
sehen. Sein Stab stand stets in ehrerbietiger Entfernung von ihm 
in tiefem Schweigen da, nur sein Chef durfte sich ihm von Zeit zu 
Zeit nähern. Als ich einmal von der Uberbringung einer Meldung 
an meinen Bater zu ihm zurückkehrte, traf ich im Vorbeireiten auf 
die hinter einem Dorf rastende Avantgarde des VII. Armeekorps. 
An einer Wegekreuzung passterte ich einen ziemlich beleibten General, 
der eine entfernte Ahnlichkeit mit dem verstorbenen Herzog Errst 
von Koburg hatte. Als ich grüßend vorbeireiten wollte, befahl mir 
der General mit folgender Anrede zu halten: „Junger Mann, wissen 
Sie nicht, daß, wer von vorn kommt, bei mir, dem General Michel- 
mann, Kommandeur der Avantgarde, zu halten und Meldung zu 
machen hat?“ — „Ich komme,“ meldete ich, „von dem Oberschieds- 
richter, Seiner Katserlichen Hohelt dem Kronprinzen, und reite in 
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