Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

frommen und anderen Bemerkungen in sein Tagebuch eintrug, konnte 
ich damals freilich nicht wissen. 
* 
Den nachmaligen General à la suite v. Chelkus lernte ich bei 
einem Divisionsmanöver der 1. Gardedivision in der Mark kennen. 
Mein Regimentskommandeur Oberst v. Lindequist, unter dem ich 
damals das I. Bataillon des Ersten Garderegiments zu Fuß führte, 
hatte mir eine Einladung seiner Quartierswirte, Herrn und Frau 
v. Bodenhausen, übermittelt. Bei diesen liebenswürdigen Menschen 
traf ich unter den Gästen auch Leutnant v. Chelius von den Garde- 
Husaren. Nach Cisch setzte er sich ans Klavier, und ich wurde 
zum erstenmal in meinem Leben Zeuge seiner musikalischen Be- 
gabung, seines großen technischen Könnens und seines umfangreichen 
musikalischen Gedächtnisses, vermöge dessen er alle gewünschten Musik- 
werke sofort ohne Noten spielen konnte. Er komponierte auch, doch 
waren seine Leistungen auf diesem Gebiet nicht sehr bedeutend, viel- 
leicht lag es daran, daß er zuviel Wagnermotive im Kopf hatte. 
Denn er war ein begeisterter Wagner-Anhänger und als solcher einer 
der Begründer des Berlin-Botsdamer Wagner-Bereins, dem auch 
meine Frau und ich beitraten. Die von ihm in den Räumen der 
Kriegsakademie für diesen Verein veranstalteten Wagner-Konzerte 
waren ausgezeichnet. Er besaß eine weitreichende Kenntnis der Theater- 
welt und wußte über die namhaften Sänger und Sängerinnen sowie 
Kapellmeister Bescheid. Er ist viele Abende bei uns als gern gesehener 
Gast im Hause gewesen und hat uns oftmals durch sein wundervolles 
Spiel erbaut. 
Bef alledem war Chelius ein bescheidener Mann, ein vortrefflicher 
Offizier und von einem für seine Jahre ungewöhnlich gereiften Charak- 
ter, der seinem Auftreten Ernst und Sicherheit verlieh. Dazu kamen 
unbedingte Zuverlässigkeit und goldene Treue, man konnte auf ihn 
wie auf einen Felsen bauen. Als bewährter Regiments-Adfutant 
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