Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

übernahm es auf meine Aufforderung hin, die Reise vorzubereiten, 
und hat seine Aufgabe glänzend gelöst. Ich konnte bei der ersten 
Reise auf dem Digermul-Kollen stehen und das herrliche nordische 
Rundbild in Natur bewundern, das mich im Gemälde so mächtig 
bewegt hatte. Von da an ist Güßfeldt mein treuer Begleiter auf 
allen Nordlandsfahrten gewesen. Auch bei den „Fahrtgesellen“, wie 
meine Begleiter sich scherzhaft nannten, war er sehr beliebt, da ihm 
eine gute Dosis gesunden Humors zu eigen war. In einem an- 
schaulich geschriebenen Buche hat er die Erlebnisse und Eindrücke 
unserer Fahrten sowie fesselnde Beschreibungen des herrlichen Nord— 
landes allgemein zusammengestellt, auch wertvolle Fingerzeige für das 
deutsche reiselustige Publikum erteilt, dem Norwegen damals noch 
eine unbekannte Größe war. 
Auch in Potsdam und Berlin habe ich Güßfeldt oft bei mir ge— 
sehen, und zumal bei den Verhandlungen über die Schulreform 
manche Anregung von ihm empfangen. Der Verkehr mit Güßfeldt 
ist für mich stets eine besondere Erquickung und Anregung gewesen, 
da in den Hauptauffassungen des Lebens unsere Ansichten sich deckten 
oder ergänzten. Er stand fest auf religiöser Grundlage, war über 
den Parteistreit erhaben und gab seine Urteile ohne Boreingenommen- 
heit ab, sie waren nichts als der Ausfluß seines gesunden Menschen- 
verstandes und einer abgeklärten Lebensanschauung. Er war, was 
der Engländer einen „Allround Man“ nennt, also das Gegenteil 
von einem PBbilister. 
Auf meine Anregung trat Güßfeldt als Reserveoffizier in das 
Leib-Garde-Ousarenregiment über und wurde dort bald ein bei allen 
ungemein beliebter Kamerad, der auch bei Tafel seinen Mann stand 
und einen guten Trunk nicht verschmähte. Sein im Winter 1919/20 
erfolgter Tod hat mich tief geschmerzk, denn in ihm verlor ich einen 
der Altesten Getreuen, der mir schon aus meiner Prinzenzeit vertraut 
war und die erste Nordlandreise mitgemacht hatte. Wieviele sind aus 
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