Die Dienstleistung im Auswärtigen Amte brachte mir außer man-
chem anderen auch den Borteil, daß mir Gelegenheit gegeben war,
dem begeistert verehrten großen Staatsmann, der als eine fast schon
in die Heldensage eingegangene Reckengestalt durch die Tage meiner
Zugend ging, endlich näherzutreten. Dies erscheint auf den ersten
Blick merkwürdig, hat aber seinen Grund darin, daß ich in Potsdam
im Dienst stand und nur zu Hoffesten und besonderen Feierlichkeiten
in Berlin anwesend war. Diese besuchte aber der Fürst nicht, da
er sich im allgemeinen nicht an Geselligkeiten außerhalb seines Hauses
beteiligte.
In jener Zeit erhielt ich wiederholt Einladungen zur Frühstücks-
tafel beim Fürsten, an der meistens die Gürstin, ihre Tochter, die Gräfin
Rantzau nebst Gemahl, Graf Herbert Bismarck und dann und wann
Bebannte oder hervorragende fremde Persönlichkekten teilnahmen. Unter
den Gästen befanden sich z. B. Graf Roseberp, Graf Tauffkirchen
aus Bayern, Frau Melster aus Frankfurt, die Mutter des späteren
Regierungsprästdenten, sowie der Arzt Professor Dr. Schweninger.
Das Essen war reichlich; im allgemeinen gab es Hausmannskost.
Die Weine waren vorzüglich und fast ausnahmslos dem Bürsten
von Berehrern geschenkt. Der Fürst zeigte sich meist sehr aufgeräumt
und erzählte manche lustige Geschichte aus seinem Leben. Nach dem
Essen pflegte er sich auf eine Chaiselongue niederzulegen und seine
lange Pfeife zu rauchen, die ich ihm öfters habe anstecken dürfen.
Uber die Stellung des Fürsten zu der damals aufkeimenden Kolo-
ntalbewegung in Deutschland habe ich schon in den „Ereignissen und
Gestalten“ berichtet, aber ich glaube, noch einmal erwähnen zu müssen,
daß der Fürst die Kolonien nur als politische Tauschobfekte betrachtete,
die Bewegung meiner Meinung nach unterschätzte und die Bedeutung
der Kolontialfrage wohl nicht ganz überschaute. Die deutsche Kauf-
mannschaft hatte den Nutzen richtig erkannt, der für Deutschland in
dem Bezuge von Rohprodukten aus eigenen Kolonien lag, und das
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