dieses sie abstotzen mußte. Sie hat im Gegensatz zu vielen deutschen
Prinzessinnen, die ins Ausland gehelratet haben, ihre Heimat immer
am hböchsten gestellt, nichts ging ihr darüber. Man wird das sub-
sektiv nicht nur verstehen, sondern sogar ehren müssen, auch wer,
wie ich, in allem rein deutsch und rein preußisch gedacht und gefühlt
hat, aber es hat das doch, wie ich hier nur andeuten will, zu Gegen-
sätzlichkeiten geführt, die zwischen Mutter und Sohn besser vermieden
werden.
Eine gute Kennerin war meine Mutter auf dem Gebiete der
bildenden Kunst, die meisten Gemäldegalerien Europas waren ihr
bekannt und vertraut. Ste hat an Gemälden selbst vieles zusammen-
gebracht, das den Grundstock für das nachmalige Kaiser-Friedrich-
Museum gebildet hat. Sie hat die Kunst auch selbst ausgeübt und
hübsche Aquarell= und Olbilder geschaffen: italienische Landschaften,
Porträts und Stilleben, besonders Blumenstücke. Ich entsinne mich
noch der schönen Stunden, wenn meine Mutter in ihrem Aitelier,
das im ersten Stock des Kronprinzenpalais an der Ecke nach der
Oberwallstraße, mit dem Genster nach der Neuen Wache zu, gelegen
war, an der Staffelei saß und malte. Ich mußte ihr dabei gewöhnlich
vorlesen, meist lustige englische Geschichten, und sch habe es dann
oft erlebt, wie sie die Palette hinwarf, um recht herzhaft zu lachen.
Es war übrigens auch in ihrem Bibliothekszimmer, das ihr gleich-
zeitig als Wohnzimmer diente, immer sehr hübsch. Der Raum lag
nämlich sehr eigenartig in dem Schwibbogen, der vom Kronprinzen-
zum Prinzessinnenpalais führt. Die Fenster gehen nach beiden Seiten
hinaus, sowohl nach den Linden wie nach der Oberwallstraße, und
es war für mich als Kind immer höchst interessant, von dort aus das
Leben und Treiben auf den Straßen zu beobachten. Zwischen den
Genstern standen in offenen Regalen die zahlreichen Bücher meiner
Mutter, in denen zu „schmökern“ ebenfalls ein besonderer Genuß
für mich war.
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