Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

liche Sauberkeit. Uber dem Kopfende eines seden Bettes waren 
auf einem Regal mehrere Röcke, sorgfältig zusammengefaltet, nieder- 
gelegt. Auf meine Frage, wieviel Garnituren für jeden Mann vor- 
handen seien, erhielt ich zunächst keine Auskunft, da es das Wort 
„Garnitur“ im englischen Militäridiom nicht gibt. Schließlich bekam 
ich heraus, daß jeder Mann alle zwei Jahre einen neuen Nock be- 
kam, der ihm persönlich angemessen wurde. Die ausrangierten Röcke 
wurden Eigentum der Leute, die sie außer Dienst weitertrugen oder 
auch verkaufen konnten. Kammern mit Garnituren und Reserve- 
stücken wie bei uns gab es damals nicht. Das rote Tuch der Uniform 
war von ausgezeichneter Qualität und der Sitg seden Rocks, da ge- 
nau nach Maß gearbeitet, wie angegossen, wozu der schlanke, fast 
hüftenlose Körperbau der Briten das Seine beitrug. Ich bin der 
Metinung, daß die englische Vorkriegsarmee in ihren schönen Friedens- 
uniformen die bestgekleidete der Welt war. 
Ich wurde auch eingeladen, die Kaserne, die von einem Teil der 
Girst Lifeguards belegt war, zu besuchen und Neitabteklungen der- 
selben zu besichtigen. Die ausgesucht schönen und großen Leute boten 
auf ihren Rappen ein treffliches reiterliches Bild. Die gesamte Reit- 
dressur des Regiments lag in der Hand eines sogenannten „Riding- 
masters“, die Leutnants hatten mit der Dressur nichts zu tun. Die 
Ridingmasters waren besonders zur Pferdedressur veranlagte, aus den 
unteren Chargen hervorgegangene Leute, die es nicht selten bis zum 
Kapitän (Rittmetster) brachten, ohne aus dem betreffenden Regit- 
ment selbst stammen zu müssen. Der von mir bei den First Life- 
guards gesehene Ridingmaster war ein schon angegrauter Herr und 
trug Ulanenuniform. Den Schluß der Besichtigung bildete elne von 
den Mannschaften im Paradeanzug mit angefaßter indischer Bambus- 
lanze gerittene Quadrille nach der Mustk, „musical ride“ genannt, 
die ohne Kommando fehlerlos ausgeführt wurde. Ubrigens hatte 
schon damals das Polospiel derart überhand genommen, daß mir ein 
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