Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Da dem Stationschef von Kiel, dem hochverdienten Admiral 
Batsch, von seiner eigenen Dienstzeit in der englischen Marine her 
das Verhalten der englischen Mannschaften auf Landurlaub nur zu 
wohl bekannt war, hatte er die Hafenwache reichlich mit Stroh ver- 
sehen lassen. Auf die daraus gefertigten Lagerstätten wurden die 
aus den Kneipen gebrachten „Leichen" schiffsweise geordnet niedergelegt, 
um dann stündlich von den bereitgehaltenen Dampfbarkassen auf ihre 
Schiffe gebracht zu werden, so waren diese der Sorge für ihre auf 
Urlaub gegangenen Mannschaften enthoben. Das britische Geschwader 
begrüßte diese Neuerung, die die Engländer bisher in keinem anderen 
Hafen der Welt erfahren hatten, und die von deutscher Voraussicht 
und Gründlichkeit zeugte, mit anerkennendem Danke. Eine Anzahl 
Mannschaften kehrte übrigens von ihren Auöflügen nicht wieder, 
sondern benutzte die Gelegenheit zur Desertion. 
Ich selbst hatte unfreiwillig Gelegenheft, mich von dem Treiben 
der englischen Matrosen zu überzeugen. Am Abend vor dem Aus- 
laufen des Geschwaders bevölkerten nämlich die von ihrem letzten 
Abschied heimkehrenden Urlauber in reichlich angeheitertem Zustand 
und so zahlreich die Landungsstege, daß der Herzog es für notwendig 
hielt, uns mit seinem Adjutanten Kommander Le Strange persfön- 
lich an Land zu bringen. Wir stiegen an der „Schloßbrücke“ aus, 
und der Herzog sah sich genötigt, uns persönlich durch die lär- 
mende Masse hindurchzugeleiten, was unter dem Schutze seiner 
Admfralsuniform auch gelang. Trotzdem bamen wir mehrmals in 
Gefahr, von den schwankenden Gestalten ins Wasser gedrängt zu 
werden. 
Nach fünf= oder sechstägigem Aufenthalt, der in jeder Beziehung 
harmonisch verlief, lichteten unsere englischen Gäste wieder die Anker. 
Am Morgen der Abfahrt schiffte ich mich auf der „Grille“ ein, um 
mit vier weiteren Schiffen dem britischen Geschwader das Geleit bis 
ins offene Meer zu geben, während Heinrich an Bord des „Her- 
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