Da dem Stationschef von Kiel, dem hochverdienten Admiral
Batsch, von seiner eigenen Dienstzeit in der englischen Marine her
das Verhalten der englischen Mannschaften auf Landurlaub nur zu
wohl bekannt war, hatte er die Hafenwache reichlich mit Stroh ver-
sehen lassen. Auf die daraus gefertigten Lagerstätten wurden die
aus den Kneipen gebrachten „Leichen" schiffsweise geordnet niedergelegt,
um dann stündlich von den bereitgehaltenen Dampfbarkassen auf ihre
Schiffe gebracht zu werden, so waren diese der Sorge für ihre auf
Urlaub gegangenen Mannschaften enthoben. Das britische Geschwader
begrüßte diese Neuerung, die die Engländer bisher in keinem anderen
Hafen der Welt erfahren hatten, und die von deutscher Voraussicht
und Gründlichkeit zeugte, mit anerkennendem Danke. Eine Anzahl
Mannschaften kehrte übrigens von ihren Auöflügen nicht wieder,
sondern benutzte die Gelegenheit zur Desertion.
Ich selbst hatte unfreiwillig Gelegenheft, mich von dem Treiben
der englischen Matrosen zu überzeugen. Am Abend vor dem Aus-
laufen des Geschwaders bevölkerten nämlich die von ihrem letzten
Abschied heimkehrenden Urlauber in reichlich angeheitertem Zustand
und so zahlreich die Landungsstege, daß der Herzog es für notwendig
hielt, uns mit seinem Adjutanten Kommander Le Strange persfön-
lich an Land zu bringen. Wir stiegen an der „Schloßbrücke“ aus,
und der Herzog sah sich genötigt, uns persönlich durch die lär-
mende Masse hindurchzugeleiten, was unter dem Schutze seiner
Admfralsuniform auch gelang. Trotzdem bamen wir mehrmals in
Gefahr, von den schwankenden Gestalten ins Wasser gedrängt zu
werden.
Nach fünf= oder sechstägigem Aufenthalt, der in jeder Beziehung
harmonisch verlief, lichteten unsere englischen Gäste wieder die Anker.
Am Morgen der Abfahrt schiffte ich mich auf der „Grille“ ein, um
mit vier weiteren Schiffen dem britischen Geschwader das Geleit bis
ins offene Meer zu geben, während Heinrich an Bord des „Her-
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