aus. Die Festlichkeiten verliefen genau nach Programm und mit einer
geradezu peinlichen Bünktlichkelt, auf die der Katser ungeheuer scharf
hielt. Kronprinz Rudolf hatte uns darauf aufmerksam gemacht, daß
der Katser grundsätzlich fünfzehn bis zwanzig Minuten vor der fest-
gesetzten Zeit zu erscheinen pflege: die Golge davon sel, daß sich die
Katserliche Famille bereits eine halbe Stunde vor Tisch versammle.
Wir haben natürlich diesen Wink genau befolgk, was bei dem ersten
Essen den Kaiser zu dem Scherz veranlaßte: Wir als Gäste brauchten
diese „Unsitte“ nicht mitzumachen) er habe meine Frau abholen wollen.
Späterhin erfuhr ich aber, daß er seiner Umgebung mit dem Aus-
druck der Anerkennung erklärt habe, das Prinzenpaar Wilhelm sei
sehr pünktlich. Der gleichzeitig zur Hochzeit in Wien anwesende
Brinz von Wales konnte sich an diese Bünktlichkekt nicht gewöhnen
und ging infolgedessen eines gleichen Lobes verlustig.
Die katserliche Küche war gut, aber schwer. Eine gewisse Be-
rühmtheit hatte das Kfeblingsgericht des Katsers, der Rinderschmor-
braten, erlangt. Die Tafel war stets mit prächtigen goldenen Auf-
sätzen und Kübeln versehen, in denen die erlesensten Blumen, meistens
Orchideen aus den Treibhäusern in Schönbrunn, zu farbenfrohen
Gruppen zusammengestellt waren. Der Kalser war ein großer
Blumenfreund und liebte besonders Orchideen in allen Spielarten.
Nichts machte ihm mehr Freude, als wenn man den Blumenschmuck
seiner Tafel lobte, was man in der Tak mit gutem Gewissen tun konnte.
Auf der deutschen Botschaft und in österreichischen Häusern hatten
wir häufig Gelegenheit, führende Persönlichkeiten aus der Wiener
Gesellschaft kennen zu lernen: die Damen meist stattliche Erschei-
nungen, oft von großer Schönheit, strahlend im Glanze reichen
Familtenschmucks, die Herren schlank und gut gewachsen in eleganten
Zivilkleidern oder Uniformen, alle ausnahmslos von der gewinnenden
österrelchischen Liebenswürdigkelt und Urbanität, die den Fremden
sehr schnell bestrickt. Im gastlichen Hause des Erzherzogs Karl Ludwig
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