Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

In diesem Zusammenhange möchte ich eines Umstandes Erwähnung 
tun, der an und für sich zwar geringfügig ist, seiner Entstehung nach 
mir sedoch recht bezeichnend erscheint. Es war mir nämlich einmal 
aufgefallen, daß die zu meinem Empfang auf einem Bahnhof auf- 
gestellte Ehrenwache uscht präsentierte, sondern mit über die rechte 
Schulter gehängtem Gewehr dastand, diese Tragweltse ersetzte bei der 
österreichisch-ungarischen Armee unser „Gewehr über". Als ich ge- 
legentlich der weiter unten erwähnten Gemssagd dem Grafen von 
Meran, der großes Interesse für militärische Fragen hatte, meine 
Beobachtung mitteilte, erwiderte er folgendes. Die Armee habe über 
die Tragweise des über die Schulter gehängten Gewehrs ungünstig 
berichtet, da es, zumal bei Leuten mit abfallenden Schultern, die 
Neigung habe, über den Arm hinabzurutschen oder die Leute auf der 
Schulter drücke. Daraufhin wurden aus Tuch gearbeitete, mit der 
Kragenfarbe des Regiments versehene Schulterwülste aufgesetzt. 
Dies erleichterte zwar den Mannschaften das Tragen des Gewehrs, 
erschwerte aber den Präsentiergriff, der durch Vorschleudern des 
Gewehrs am Rlemen zu erfolgen hatte. Erneute Eingaben aus der 
Armee erfolgten, die auf diese Schwierigkelkten hinwiesen. Statt 
nun einfach zu befehlen, es wird das „Gewehr über“ getragen 
und vom „Gewehr über“ präsentiert, machte man es anders: man 
schaffte das Präsentieren ab. Und so, rief der Graf verzweffelt aus, 
sei die k. und k. österreichtsch-ungarksche Infanterietruppe die einzige 
in der Welt, die nicht einmal mehr vor ihrem Obersten Kriegsherrn, 
dem Kaiser und König, präsentiere, sondern ihm genau dasselbe 
Honneur erweise wie dem Korporall 
#6 * 
Im Mai 1883 weilte ich mit meiner Frau zu Besuch bei den 
kronprinzlichen Herrschaften in Wien und danach als ihre Gäste auf 
dem Hradschin in Prag. Dort führte mir Kronprinz Rudolf die von 
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