Kitz über meine Felsplattform unmittelbar vor meinen Knien vorbei,
so daß ich das Kitz mit meiner Hand hätte berühren können, und
dann verschwanden beide über die Felskante, scheinbar in die Luft
springend. Ich befürchtete, bald ihren Aufschlag unten auf dem Berg-
hang zu hören, sah sie aber nach einigen Minuten auf einem schmalen
Grat wohlbehalten an der gegenüberliegenden Felswand weiterklettern.
Es gelang mir, eine Anzahl Gemsböcke zu strecken.
Am Schluß der Jagd stieg sch über meine Leiter wieder herunter und
traf am Fuße der Felswand mit dem von seinem Stand zurückkehrenden
Kaiser zusammen. Als ich ihm meine Strecke meldete, beglückwünschte
er mich voller Freude und schlug mir vor, da die anderen Schützen
noch nicht zur Stelle waren, ihn ins Tal hinab zu begleiten und
mit ihm gemeinsam nach Hause zu fahren. Ich nahm selbstverständ-
lich dankend an und folgte dem hohen Herrn auf dem schmalen zu
Tal führenden Pfad, ohne zu ahnen, was mir bevorstand. Denn
bald begann der Kakser, der ein von Jugend auf geübter Bergsteiger
war, seinen Bergstock seitwärts einsetzend, mit großen Sprüngen den
beschleunigten Abstieg, was ich bei nur einem leistungsfähigen Arm
nicht nachmachen konnte. Ich mußte infolgedessen im Trabe dem hohen
Herrn folgen, um ihn im Auge zu behalten und landete eine Weile
nach ihm in vollkommener Auflösung an seinem Wagen, worauf der
Katser nur mitleidvoll sagte: „Es hat dich wohl a bisserl echauffiert?“
Ihm selbst sah man keine Spur einer Anstrengung an.
Bek diesen Jagden merkte man, welch große Freude Kaiser Franz
Josef das edle Weidwerk in der herrlichen Gebirgsnatur bereitete und
wie es ihm half, auf kurze Zeit seine mannigfachen Sorgen zu ver-
gessen. Er war aufgerdumt und heiter und freute sich über alles,
was an der Tafelrunde, oft in schönstem Zägerlatein, zum besten ge-
geben wurde, oftmals teilte er auch aus seinem eigenen Schatz einiges
mit. So erzählte der Kaiser gelegentlich von einem seiner Jagdgäste,
dem Grafen Würm, daß dieser ihm abends auf der Strecke seine
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