Im Herbst des Jahres 1885 besuchte ich mit meiner Frau das
Kronprinzenpaar Rudolf in Budapest anläßlich der ungarischen Landes-
ausstellung. Aus den Fenstern der hochgelegenen Hofburg genossen
wir zunächst einmal den unvergeßlich schönen Blick über Budapest,
dessen an den Ufern der Donau hingestreckte Front großen Eindruck
auf mich machte. In den Straßen herrschte reges Leben und Treiben,
und wo wir bei unseren Spaziergängen oder zfahrten erkannt wurden,
wurden uns freundliche Ovationen seitens der heißblütigen Ungarn
und Ungarinnen dargebracht. In der Landesausstellung, die geschickt
und übersichtlich angeordnet war, fand ich die Abteilung für Forsten
und Jagd, in der erstaunlich starke Gewethe ausgestellt waren, besonders
anregend und reichhaltig. Ein zahlreiches Bublikum pflegte uns zu
begleiten und an unserer Bewunderung des Gebotenen sich zu er-
freuen. In der Geweihausstellung trafen wir unversehens mit dem
Grafen Andrassy zusammen, es war für mich eine besondere Freude,
die Bekanntschaft dieses Mitbegründers des Bündnisses zwischen Oster-
reich-Ungarn und Deutschland zu machen. Andrassy war ein Voll-
blutungar, kohlschwarz, eine Locke hing ihm in die Stirn, er machte
den Eindruck eines Mannes, der genau wußte, was er wollte. Während
unserer Unterhaltung staute sich das Bublikum immer mehr, so daß
der ebenfalls anwesende Prinz von Wales Mühe hatte, binauszu-
kommen. Plötzlich brachte jemand aus dem uns umdrängenden
Publkkum ein Eljen auf den deutschen Bundesgenossen und den Be-
gründer des Bundes, den Grafen Andrassy, aus. Eljenrufe durch-
brausten die Halle, während ich dem großen Staatsmann herzlich
die Hand schüttelte. Nach dem entschwindenden Prinzen von Wales
deutend, flüsterte mir Andrassp zu: „Das wird er nicht gern gehört
haben! Ihm gefällt der Dreibund nicht. Europa wird einmal un-
ruhigen Zeiten entgegengehen, kommt er ans Ruderl“
Auch das Theater haben wir in Budapest besucht. Ehe wir in
die Loge traten, machte uns Kronprinz Rudolf mit dem Brauch des
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10 Aus meinem Leben